Folgen des Lithium-Abbaus in den Hochanden
Felix Dorn im Gespräch mit Franziska Krachten
Lithium wird immer begehrter – insbesondere für den Umstieg auf Elektromobilität. Die größten Lithium-Vorkommen liegen in den Salzseen und -wüsten der Anden, im „Lithiumdreieck“ Argentinien, Chile und Bolivien. Der Abbau des Leichtmetalls hat unterschiedliche Auswirkungen, die der Wirtschaftsgeograph Felix Dorn erforscht hat.
Um den globalen CO2-Ausstoß zu reduzieren, gilt Lithium als Schlüsselrohstoff. Wie wird Lithium in den Anden abgebaut und welche Auswirkungen hat dies?
In den Salzseen der Hochanden wird Lithium durch Sole-Abbau gewonnen. Die Sole verdunstet mithilfe der starken Sonnenstrah- lung über einen Zeitraum von etwa einem Jahr in großen Becken. Zurück bleibt eine höher gelöste Lithiumkonzentration, die dann weiterverarbeitet wird.
Die Auswirkungen dieses Prozesses sind vielfältig und können noch nicht abschließend bewertet werden. So berichten einige Forschende von dramatischem Wasserverbrauch und hydrogeologischem Stress, der den Grundwasserspiegel senkt. Andere spielen die Zahlen eher herunter und betonen, es handle sich dabei zum Großteil um Salzwasser.
Der zentrale Punkt für mich ist, dass es nach wie vor keine unabhängigen Untersuchungen über die langfristigen ökologischen Folgen gibt. Zudem gibt es soziale Auswirkungen, die mit der Einschränkung traditioneller ökonomischer Aktivitäten (z.B. Viehzucht) oder der Missachtung indigener Rechte zusammenhängen.
Warum gibt es Proteste gegen den Abbau?
In den Gemeinschaften der Salinas Grandes ist mit der Ankunft der ersten Lithiumunternehmen eine starke Protestbewegung entstanden, in der es um mehr Autonomie, Mit- bzw. Selbstbestimmung und um offizielle Landtitel geht. Sichtbar wurde dies 2023 an Massenprotesten, mit denen indigene Gemeinschaften auf eine rasante Verfassungsreform – zugunsten des privaten Lithiumbergbaus – reagierten.
Spannend ist jedoch, dass zeitgleich in derselben Provinz an anderer Stelle eine neue Lithiummine ohne Proteste den Abbau beginnen konnte, auch wenn die Unsicherheit über die ökologischen Folgen hier ebenfalls groß war. Die Gründe dafür liegen einerseits in einer stärkeren Verflechtung in den Arbeitsmarkt und einer gefühlten Alternativlosigkeit. Andererseits wurde der Lithiumbergbau hier in ein Energiewendeprojekt eingebettet, das in der lokalen Bevölkerung einen Konsens geschaffen hat.
Sie haben in einem Film die Perspektive der indigenen Gemeinschaften beleuchtet. Welches Ziel haben Sie dabei gehabt?
Mit dem Film möchte ich den Menschen einerseits eine Stimme geben und meine Forschungen andererseits einem größeren Publikum zugänglich machen. Bei allen Ausstrahlungen haben sich bisher anschließend spannende Diskussionen mit den Zuschauerinnen und Zuschauern entwickelt. Das wäre mit einem wissenschaftlichen Artikel oder Vortrag in der Form nicht möglich gewesen. Gerade bei so aktuellen Themen wie dem Lithiumbergbau und der Energiewende halte ich es für wichtig, sich als kritischer Sozialwissenschaftler auch an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen. Wer den Film ausleihen möchte, kann sich gerne an mich wenden (https://www.felixdorn. com/bajo-la-sal).
KONTAKT
Felix M. Dorn
Institut für Internationale Entwicklung, Universität Wien felix.dorn@univie.ac.at
Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 1/2-2024 erschienen.