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ARKUM: “Grenzen und Kulturlandschaft” – Digitales Kolloquium

‚Grenzen und Kulturlandschaft‘. Digitales Kolloquium ‚ARKUM – Fachdisziplinen im Gespräch!‘ – Sommersemester 2024

Mo, 17:15 Uhr an den folgenden Terminen: 15.04., 29.04., 13.05., 27.05., 10.06., 24.06., 08.07.

Im Sommersemester 2024 lädt der ‚Arbeitskreis für historische Kulturlandschaftsforschung in Mitteleuropa e.V.‘ (ARKUM) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und Qualifizierungsstufen zum digitalen Kolloquium zum Thema ‚Grenzen und Kulturlandschaft‘ ein. Das Kolloquium hat im vergangenen Semester zum ersten Mal stattgefunden und sich intensiv mit dem Thema ‚Raum und Kultur-Landschaft‘ beschäftigt. Das Ziel dieses Formats fokussiert einen regelmäßigen digitalen Austausch, der verschiedene fachliche Perspektiven auf das jeweilige Thema beleuchtet und zur kritischen Diskussion einlädt.1 Dabei stehen gezielt solche Themen im Vordergrund, die aktuell eine fachübergreifende Erforschung erfahren – so auch das Thema ‚Grenze‘. Grenzen wurden in den vergangenen Dekaden von unterschiedlichen Fachrichtungen untersucht und mit verschiedenen Ansätzen definiert und interpretiert. Dabei wurden sie in den zurückliegenden Jahren in den politischen Leitlinien von ‚Trennungslinien‘ hin zu ‚Kontaktzonen‘ bzw. ‚Grenzräumen‘ umdefiniert, in denen es neue kulturelle und soziale Phänomene zu entdecken gibt. Das Wort ‚Grenze‘ stammt vom altslavischen Wort ‚granica‘ (polnisch, bulgarisch, bosnisch) bzw. ‚graniza‘ (russisch, bulgarisch) ab und bezeichnet (Beginn und) Ende eines Raumes (Schmieder 2021, 30; Tohidipur 2021, 299). Aus anthropologischer Sicht ist laut Isensee (2018) der Mensch „seiner Wesensverfassung nach auf Grenzen angewiesen. Mit dem gleichen Recht, mit dem er als politisches Wesen definiert wird, könnte man ihn auch als grenzbedürftiges Wesen kennzeichnen.“ Grenzen sind für den Menschen nach Isensee damit lebensnotwendig, sich im Feld der Möglichkeiten zu orientieren, „um überhaupt etwas von dem zu verwirklichen, was er an sich leisten könnte und leisten möchte“ (Isensee 2018, 20; vgl. hierzu auch Rau 2020, 309). Denn Grenzen erzeugen Differenz und erzwingen damit implizit eine Beobachtung des Unterschiedenen (Schwell 2021, 268; Pötsch 2021, 283).
Gerst und Krämer (2019) machen zudem auf die „wirkmächtige Arbeitsteilung“ mittels der Disziplinen ‚Border(land) Studies‘ und ‚Studies of Boundaries‘ aufmerksam: Grenzen im Sinn der
‚Border(land) Studies‘ bedeuten so vor allem politisch-territoriale Demarkationen oder andere räumliche Grenzkonstellationen. Aus der Warte der ‚Studies of Boundaries‘ lassen sich jedoch ebenso sozio-symbolische sowie kulturelle Grenzen untersuchen (Gerst/Krämer 2019, 50 f.; Rau 2020, 309, 313). Innerhalb der Grenzforschung, vor allem in den angloamerikanischen Debatten, herrscht dabei über die Gleichsetzung bzw. die unterschiedliche Verwendung der Begriffe ‚border‘, ‚boundary‘ und ‚frontier‘ Uneinigkeit: Während der äquivalente Gebrauch immer üblicher wird, bezeichnet in der eher traditionellen ‚Politischen Geographie‘ ‚border‘ den die Grenzlinie (= ‚boundary‘) beiderseitig umschließenden Grenzraum und ‚frontier‘ den Grenzbereich auf einer Seite, der durch die Orientierung über die Grenze hinaus variabel ist (Schetter 2021, 240–53).

1 Organisiert durch David Fuchs (Geograph), Gerrit Himmelsbach (Archäologe/Historiker), Robert Lämmchen (Geograph)
und Lina Schröder (Historikerin).

Verschiedene Grenzperspektiven ergeben sich auch in Bezug auf ‚natürliche‘ Grenzziehungen. Knoll (2019) hebt beispielsweise die Bedeutung der Ambivalenz eines Flusses bezüglich der
Grenzthematik hervor, wenn er über diesen schreibt: „Er ist in seiner Längsrichtung ein verbindendes Element, insbesondere war er das in jenen Zeiten, die auf den Wasserweg angewiesen waren. Gleichzeitig ist ein Fluss [je nach Größe!] ein Verkehrshindernis in seiner Querrichtung – übrigens auch dann, wenn er keine politische Grenze bildet“ (Knoll 2019, 82; vgl. ferner Hardt 2005/19). Gerade der vormoderne Fluss als topographische Demarkation (Geofaktor) stellt also eine besondere Art der Grenze dar, wenngleich er ein schönes Beispiel für eine „Grenze auf Zeit“ (Schindler 2021, 335) ist. Ursprünge ‚natürlicher‘ Grenzen finden sich also auch in den Geofaktoren, z.B. im Klima und damit auch in der Flora und Fauna. Mit zu berücksichtigen sind ebenso durch diese (mit)verursachte Grenzveränderungen (z.B. Kleine Eiszeit, Hochwasser, Erdbeben, neue Tier- oder Pflanzenarten durch sich veränderndes Klima etc.). Zu Grenzen werden von der Natur vorgegebene Elemente allerdings, wie das Beispiel Fluss zeigt, erst durch konkret erfahrbare Einschränkungen und/oder durch eine Interpretation der Menschen, die z.B. einen Fluss bewusst zu einer territorialen Grenze deklariert.

Zu den im Zweiwochenrhythmus stattfindenden 90-minütigen, digitalen Treffen (ZOOM) sind alle diejenigen regelmäßig eingeladen, die ein Thema im Rahmen des oben beschriebenen
Forschungsrahmens bearbeiten und dieses gerne in einem interdisziplinären Kontext vorstellen und diskutieren möchten. Die Präsentationen sollen sich in einem zeitlichen Rahmen von maximal 35 Minuten bewegen und dazu dienen, besonders ‚knifflige‘ Fragen oder Aspekte, den möglichen Umgang mit Einzelbefunden, die methodische Herangehensweise (u.a. in Forschungsprojekten, Studien) etc. vorzustellen und zu diskutieren. In jeder Sitzung ist auch stets Zeit vorgesehen, nach Bedarf aktuelle Herausforderungen in der eigenen Forschung anzusprechen. Der Austausch soll also dazu dienen,
• durch die regelmäßigen Diskussionen zu verstehen, wie die Fachkolleg*innen bestimmte Begriffe/Konzepte – hier den Grenzbegriff – denken, welche Rolle diese in ihrem Fach spielen
• durch die anderen fachlichen Perspektiven eine Erweiterung des eigenen Horizontes zu erfahren
• einen generellen Einblick in die jeweiligen Fachdiskussionen (z.B. auch über eventuelle Kontroversen) zu erhalten
• zu verstehen, wie die anderen Disziplinen zu ihren Ergebnissen gelangen (Methodik, Quellen) und Mittel und Wege zu finden, diese Ergebnisse sinnvoll in die eigene Forschung zu
integrieren

Der CfP richtet sich dabei an Wissenschaftler*innen aus Archäologie, Geschichtswissenschaft und Geographie, sowie andere Fachdisziplinen (z.B. die Soziologie), die sich mit Fragen rund um Grenzen und Kulturlandschaft beschäftigen. Eingeladen sind auch alle diejenigen, die einfach nur Interesse am Thema und an den regelmäßigen Diskussionen haben, aber selbst nicht vorstellen möchten. Bewerbungen für einen Vortrag in Form eines Abstracts (max. 2.000 Z.) und einer Kurzvorstellung bzw. eine Interessensbekundung für eine einfache Teilnahme richten Sie bitte bis zum 31.03.2024 an Dr. Lina Schröder, lina.schroeder@uni-wuerzburg.de.

Literatur (Auswahl)

GERST, Dominik/KRÄMER, Hannes: Die methodologische Fundierung kulturwissenschaftlicher Grenzforschung. In: KLEINMANN, Sarah (u.a. Hgg.): Kontaktzonen und Grenzregionen.
Kulturwissenschaftliche Perspektiven (Kleine Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde/38), Leipzig 2019, S. 47–70.

HARDT, Matthias: Sichtbar gemacht – Elbe und Saale als Grenze des Kaiserreiches Karls des Großen. In: LUDOWICI, Babette (Hg.): Saxones. Eine neue Geschichte der alten Sachsen. Darmstadt 2019, S. 284–286.

HARDT, Matthias: Zur Konzeption der Elbe als Reichsgrenze im frühen und hohen Mittelalter. In: CARNAP-BORNHEIM, Claus von/FRIESINGER, Herwig: Wasserwege: Lebensadern – Trennungslinien (Schriften des archäologischen Landesmuseums, Ergänzungsreihe/3), Neumünster 2005, S. 193–209.

ISENSEE, Josef: Grenzen: zur Territorialität des Staates. Berlin 2018.

KNOLL, Martin: ‚Natürliche‘ Grenzen? Zur Erfahrung von Region und Territorium in der Frühen Neuzeit, in: KUHN, Barbara/WINTER, Ursula (Hg.): Grenzen, Annäherungen an einen transdisziplinären Gegenstand, Würzburg 2019, S. 81–99.

PÖTZSCH, Holger: Grenzen und Technologie. In: GERST, Dominik (u.a. Hgg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium (Border Studies. Cultures, Spaces, Orders/3), Baden-Baden 2021, S.283–296.

RAU, Susanne: Grenzen und Grenzräume in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft. In: Francia/47 (2020), S. 307–321.

SCHETTER, Conrad/MÜLLER-KONÉ, Marie: Frontier – ein Gegenbegriff zur Grenze? In: GERST, Dominik (u.a. Hgg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium (Border Studies. Cultures, Spaces, Orders/3), Baden-Baden 2021, S. 240–253.

SCHINDLER, Larissa: Grenze und Mobilität – ein vielfältiges Forschungsgebiet. In: GERST, Dominik/KLESSMANN, Maria/KRÄMER, Hannes (Hg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und
Studium (Border Studies. Cultures, Spaces, Orders/3), Baden-Baden 2021, S. 331–344.

SCHMIEDER, Falko: Entwicklungslinien einer interdisziplinaren Begriffsgeschichte von Grenze. In: GERST, Dominik/KLESSMANN, Maria/KRÄMER, Hannes (Hg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium (Border Studies. Cultures, Spaces, Orders/3), Baden-Baden 2021, S. 29–49.

SCHWELL, Alexandra: (Un-)Sicherheit und Grenzen. In: GERST, Dominik (u.a. Hgg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium (Border Studies. Cultures, Spaces, Orders/3), Baden-Baden 2021, S. 267–282.

TOHIDIPUR, Timo: Grenzen im Spiegel des Rechts. In: GERST, Dominik (u.a. Hgg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium (Border Studies. Cultures, Spaces, Orders/3), Baden-Baden 2021, S. 297–315.

https://www.uni-bamberg.de/histgeo/vernetzung/arkum/

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