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Rundbrief Geographie Heft 308

Veröffentlicht im Rundbrief 308

Editorial: “Überraschung findet statt, wo man sie nicht erwartet hat!“ Über einige Unwägbarkeiten in der Ausrichtung von Deutschen Kongressen für Geographie

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn man sich die im Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) aufbewahrten Akten der Organisation von Deutschen Geographentagen ansieht, dann fällt schnell auf, dass die „ehrenvolle“ Aufgabe der Ausrichtung eines Geographentags durch wechselnde Standorte immer schon eine ziemlich prekäre Sache war. Bloße Anfragen konnten mit kaum mehr zu kittenden Zerwürfnissen in den organisierenden Standorten enden oder unvorhergesehene Krankheits- oder Todesfälle die Durchführung von ganzen Geographentagen in letzter Minute ernsthaft gefährden. Für alle diejenigen, die früher seitens des Hochschullehrerverbands und heute seitens der Deutschen Gesellschaft für Geographie (DGfG) mit der Ausrichtung der alle zwei Jahre stattfindenden Großveranstaltung betraut waren und sind, gilt deshalb der in der Überschrift zitierte Satz von Wilhelm Busch und damit nach wie vor die Herausforderung, den kreativen Umgang mit Kontingenz im Schnelldurchlauf zu lernen.

Als ich im Sommer 2021 gefragt wurde, ob ich ggfs. geneigt wäre, ab 2022 die Präsidentschaft der DGfG zu übernehmen, war eine meiner Hauptfragen, ob es für die Ausrichtung des DKG 2025 (Frankfurt 2023 stand schon fest) bereits Interessenten gebe. Offensichtlich war das der Fall, denn zum Zeitpunkt der Vorgespräche hatten bereits zwei Standorte zugesagt, den DKG 2025 resp. 2027 zu organisieren. Kaum Präsidentin geworden, gab es binnen weniger Wochen zwei Rückzieher: Im einen Fall befand sich das betreffende Institut durch Neuberufungen in einer Umstrukturierung mit der Folge, dass die nun frisch ins Kollegium hinzukommenden Professorinnen und Professoren nicht an der Entscheidung beteiligt gewesen waren und deshalb das Danaergeschenk der bevorstehenden Organisation eines Großkongresses lieber nicht annehmen wollten. Im anderen Fall machten die Baupläne der Universität der Ausrichtung einen Strich durch die Rechnung, weil just zum Zeitpunkt des geplanten DKG das dringend renovierungsbedürftige Hörsaalzentrum geschlossen sein würde. Leider ließen sich beide Standorte durch das Präsidium der DGfG nicht bewegen, ersatzweise ggfs. über die Organisation des DKG 2029 nachzudenken.

Also verbrachte das Präsidium der DGfG in den letzten beiden Jahren ziemlich viel Zeit damit, andere Standorte zu suchen, die verlässlich willens waren, einen der beiden nächsten DKGs zu organisieren. Das ist für 2027 gelungen: Die Bonner Kolleginnen und Kollegen haben umstandslos zugesagt, den DKG auszurichten und sind schon bei der Arbeit. Die gute Nachricht ist also, dass vom 13. bis 17. September 2027 der nächste DKG in Bonn stattfinden wird. Die DGfG bedankt sich deshalb ausdrücklich beim hoch motivierten Bonner Kollegium für die Initiative und das Engagement, das man mittlerweile nicht mehr als selbstverständlich voraussetzen kann.

Leider haben sich aber alle Bemühungen zerschlagen, für den DKG 2025 ein ausrichtendes Institut zu finden. Dankenswerterweise haben die Frankfurter Kollegen – allen voran Marc BOECKLER – schon auf dem DKG 2023 signalisiert, im Notfall die Organisation ein zweites Mal auf sich zu nehmen. Im Ergebnis der nach dem DKG anlaufenden Prüfungen hätte der Kongress dann allerdings auf das Frühjahr 2025 vorverlegt werden müssen, weil der Frankfurter Campus für eventuelle messefreie Herbsttermine schon ausgebucht war. Das hätte für die Frankfurter Kolleginnen und Kollegen wiederum bedeutet, unmittelbar nach dem äußerst erfolgreichen DKG 2023 unter abermaliger Hintansetzung ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit sofort wieder mit der Organisation für einen weiteren DKG zu beginnen. Und das war nach Auffassung des Präsidiums ein schlussendlich unzumutbares, weil hart am Rande der Ausbeutung von gutwilligen Kolleginnen und Kollegen stehendes unethisches Ansinnen.

Die Erfahrungen der letzten beiden Jahre zeigen, dass die an der Ausrichtung eines DKG interessierten Standorte mindestens ein Jahr Vorlauf brauchen, um im Jahr drei vor dem Event zunächst in die Materie der Kongressorganisation einzusteigen. Leider ist bisher die Kultur des von- und miteinander Lernens wenig ausgeprägt, sodass die allermeisten Standorte als Neulinge quasi bei null anfangen und entsprechend viel zeitintensive Umwege benötigen, um einem DKG „ihren“ Stempel aufzudrücken. Man kann deshalb mit gutem Recht fragen, ob es in Zukunft nicht hilfreich wäre, wenn seitens der DGfG systematisch Erfahrungswissen im how to der Kongressorganisation aufgebaut würde, um den ausrichtenden Standorten zur Vermeidung von personal- und damit kostenintensiven Umwegen mehr Unterstützung anzubieten.

Denn die Erfahrung lehrt, dass man als Institut zwar guten Willens sein kann, einen DKG zu organisieren, gleichzeitig aber gut daran tut, die harten Fakten der vor Ort vorhandenen Beschränkungen der Infrastruktur nicht zu ignorieren. Zwar mögen an einer Universität genügend Räumlichkeiten, auch zu moderaten Gebühren, vorhanden sein. Wenn allerdings die Hotelkapazitäten vor Ort beispielsweise so begrenzt sind, dass man zur gleichen Zeit maximal 800 Teilnehmende unterbringen kann, muss die freie Fahrt in benachbarte Städte im Kongressticket inkludiert werden, was dieses wiederum für alle Teilnehmenden kostspieliger macht. Nicht jede Universität verfügt, wie etwa Frankfurt, über einen wunderbaren Campus, der es über 2000 Teilnehmenden erlaubt, bei über 30 parallellaufenden Sessions pro Zeitfenster alle Veranstaltungsorte mühelos zu Fuß zu erreichen, sodass der Wechsel zwischen den einzelnen Hörsaal- und Seminargebäuden jederzeit zwanglos möglich ist. Probleme kann es auch mit der Tagesverpflegung geben, wenn nicht genügend Mensakapazitäten vorhanden sind oder die in der Stadt gut erreichbare Gastronomie nicht über geeignete Räumlichkeiten zum Beispiel für die beliebte Geo-Party verfügt.

Zwar hat die DGfG in der Vergangenheit die Organisation eines DKG immer auch mit eigenen Mitteln unterstützt. Was sie aber aufgrund des derzeit vorhandenen Budgets nicht kann, ist die vollumfängliche Vorfinanzierung der durch die Ausrichtung eines DKG anfallenden Personalkosten zu übernehmen, zumal dann, wenn kein belastbarer Personal- und Arbeitsplan vorgelegt – schlagenen Finanzierungsmöglichkeiten keinen gangbaren Weg darstellen, weil dieser die DGfG – selbst in einer nur internen Kassenprüfung – in arge Bedrängnis bringen würde.
Aufgrund unserer Erfahrungen haben wir in der DGfG die Möglichkeiten und Grenzen der zukünftigen Organisation von Deutschen Kongressen für Geographie insbesondere im letzten Jahr eingehend diskutiert. Im Ergebnis sind mittlerweile alle – im Übrigen sehr gut zusammenarbeitenden – Teilverbände der DGfG einhellig der Meinung, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann. Anstatt andere zu bewegen, muss sich in einem ersten Schritt zunächst einmal die DGfG selbst bewegen, um endlich Grundlagen zu schaffen, dass die Ausrichtung der DKGs zukünftig auf stabilere Beine gestellt werden kann. Kurzum: Die DGfG wird in den nächsten beiden Jahren eine organisatorische Restrukturierungsphase durchlaufen, in deren Ergebnis eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet werden soll. Deren Aufgabe wird unter anderem darin bestehen, Standorte, die zukünftig einen DKG ausrichten möchten, durch routinisierte Workflows deutlich zu entlasten.
Zwar wird 2025 leider kein Deutscher Kongress für Geographie abgehalten werden können. Aber es gilt nach wie vor: „Überraschung findet statt, wo man sie nicht erwartet hat!“ Denn auf Initiative von GeoDACH, der Studierendenvertretung in der DGfG, wird es im Frühherbst 2025 voraussichtlich einen etwas größeren – neu strukturierten – „Jungen Kongress für Geographie“ (JKG) geben. Zwecks Förderung einer frühen Selbstständigkeit der jungen Geographinnen und Geographen soll der JKG vor allem für Studierende, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs Möglichkeiten schaffen, eigenständig Sessions zu organisieren, um ihre Anliegen zu diskutieren und die Ergebnisse ihrer Arbeiten einer breiteren Fachöffentlichkeit vorzustellen. „Etablierte“ Kolleginnen und Kollegen sind gerne als Zuhörende oder als vom Nachwuchs eingeladene Vortragende willkommen. Derzeit steht das Organisationsteam in der DGfG noch ganz am Anfang der Planungen. Sobald es belastbare Konkretisierungen gibt, werden wir selbstverständlich im RUNDBRIEF GEOGRAPHIE darüber berichten.

Ute Wardenga (Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig)
Gekürzte Fassung