Editorial: Ehrenamt im wissenschaftlichen Kontext
Die Lust und Last der “Ehre” – Ehrenamt im wissenschaftlichen Kontext und die Herausforderungen durch den Generationenwechsel in der Geographie
LIEBE LESERINNEN UND LESER,
der Begriff des Ehrenamtes weckt Assoziationen von Freiwilligkeit, von Herzblut und Idealismus. Für viele Forscherinnen und Forscher, besonders in der heutigen Wissenschaftslandschaft, ist er jedoch oft schlichtweg Synonym für eine zusätzliche Arbeitsbelastung, welche häufig keine angemessene Würdigung erhält.
Denn während das Image des Ehrenamts zwischen Hobby, Karrierebooster und Zeitverschwendung changiert, werden seine wichtigsten Funktionen oft völlig übersehen: die notwendige unbezahlte Arbeit, die viele wesentliche soziale, ökologische und politische Institutionen am Laufen hält, sowie die Partizipation an Prozessen und Organisationen, die uns wichtig sind, um diese aktiv zu beeinflussen. Menschen, die sich engagieren, sind sich über diese Notwendigkeit im Klaren und wissen: Ohne Beteiligung verlieren diese Institutionen ihre Bedeutung oder verschwinden.
Seit Jahren nimmt die Arbeitsverdichtung in der Wissenschaft zu: Begutachtungstätigkeiten, Einwerbung von Drittmitteln, Mitarbeit in Kommissionen – Aufgaben, die neben der eigentlichen Lehr- und Forschungsarbeit anfallen. Wenngleich dieser Trend alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betrifft, trifft er diejenigen in
frühen Karrierephasen besonders hart. Gerade hier ist die Abwägung, sich in Ehrenämtern zu engagieren oder durch Forschungs- und Lehrexzellenz weiter zu profilieren, ein Balanceakt. Gleichzeitig befindet sich diese Kohorte in einer Lebensphase, in der Care-Arbeit häufig eine wichtige Rolle einnimmt, sodass das Engagement in Verbänden eine zunehmend untergeordnete Rolle spielt.