Forschung

Einblicke in die Geographie

Sonderforschungsbereich „Produktion von Migration“

Andreas Pott, mit Fragen von Franziska Krachten

Was ist Migration? Dieser grundlegenden Frage geht seit 2024 der Sonderforschungsbereich (SFB) 1604 „Produktion von Migration“ an der Universität Osnabrück nach. Die Antwort auf diese Frage ist alles andere als einfach: Warum zum Beispiel wird eine Schwedin, die in Deutschland lebt, nicht als Migrantin bezeichnet, die in Deutschland geborenen Kinder und Enkel türkischer Einwanderer aber schon? Andreas Pott, Sozialgeograph und Sprecher des SFB, gibt einen Einblick in die laufenden Forschungsarbeiten.
Was bedeutet „Produktion von Migration“?
Wir betrachten Migration nicht als fraglos gegeben, sondern als ein Produkt gesellschaftlicher Aushandlungen, politischer und rechtlicher Entscheidungen, administrativer Kategorisierungen, gesellschaftlicher Diskurse und nicht zuletzt auch wissenschaftlicher Klassifizierungen. Diese Prozesse sind kontextabhängig und oft umkämpft. Sie sind auch dynamisch. So ist nicht klar und für immer festgelegt, wer als Flüchtling gilt, was unter Mobilität oder was unter Migration verstanden wird. Grenzen und ihre Funktionsweisen verändern sich, migrationsbezogene Begriffe und Konzepte entstehen (z. B. Segregation oder „Migrationshintergrund“), ihre Bedeutungen wandeln sich, manchmal verschwinden Begriffe auch wieder oder verlieren ihren Gebrauchswert. Mit der Produktionsperspektive nehmen wir solche Herstellungsleistungen in den Blick und lernen dabei viel über den Zusammenhang von Migration und gesellschaftlichem Wandel.

 

Welche Forschungsfragen stehen im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs?
In 15 Teilprojekten und diversen Fallstudien in verschiedenen Weltregionen analysieren wir die Produktion von Migration in unterschiedlichen gesellschaf lichen Teilbereichen (z. B. Politik, Verwaltung, Schule, Religion, Arbeitsmarkt) und fragen, wer daran wie beteiligt ist. Uns interessieren die einzelnen Praktiken, die eingesetzten Ressourcen und Instrumente, um ein Verständnis davon zu entwickeln, wie, warum und mit welchen Folgen sich gesellschaf liche Wahrnehmungen und der Umgang mit Migration verändern.

 

Vor welchen besonderen Herausforderungen steht diese Verbundforschung zum Themenbereich „Migration“?
Wir arbeiten mit über 60 SFB-Mitgliedern zusammen, die unterschiedliche Methoden anwenden und aus unterschiedlichen Disziplinen kommen: Unter anderem aus der Geographie, der Geschichtsund Politikwissenschaft oder der Psychologie. Diese Komplexität ist ungewöhnlich, doch nur in einer solchen Konstellation ist es möglich, Migrationsforschung konsequent als Gesellschaftsforschung zu betreiben. Ebenso spannend wie herausfordernd ist dabei, dass unsere Forschung selbst Teil der gesellschaftlichen Produktion von Migration ist. Unsere Forschung findet außerdem inmitten gesellschaftlicher Auseinandersetzungen um Migration statt. Um diese Debatten aufzugreifen, zu versachlichen und vielleicht auch zu verändern, veranstalten wir regelmäßige Informations- und Diskussionsveranstaltungen und betreiben ein Transferprojekt. Hier experimentieren mit den Möglichkeiten von Virtual Realities. Ganz praktisch wollen wir auf diese Weise erproben, wie sich der Blick auf Migration verändern lässt.

 

KONTAKT
Prof. Dr. Andreas Pott
Universität Osnabrück, Institut für Geographie
andreas.pott@uni-osnabrueck.de

 

Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 10-2025 erschienen.