Forschung

Einblicke in die Geographie

Emotionale Belastung in der Klimaforschung

Wie gehen Klimaforschende mit ihren Erkenntnissen emotional um? Wie mit dem Wissen um das fortschreitende Artensterben, den steigenden Meeresspiegel, zunehmende Wetterextreme? Was bedeutet es, wenn Daten Nähe erzeugen – zu Verlusten, Ungerechtigkeit und existenziellen Bedrohungen? Sie befassen sich täglich mit den Folgen der Klimakrise – und bleiben davon selten unberührt. Dennoch wird die emotionale Belastung, die mit ihrer Arbeit einhergehen kann, bislang kaum offen thematisiert.

Der Klimawandel bedroht die Stockfischproduktion auf den Lofoten in Norwegen. Foto: Anna Lena Bercht

Sorge, Angst, Frustration

Klimaforschende erleben ein breites Spektrum an Emotionen: Sorge über unzureichende Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen, Angst vor Worst-Case-Szenarien, Hoffnung durch Lösungsansätze, Trauer über zerstörte Lebensräume, Frustration über politische Untätigkeit, Mitgefühl mit Betroffenen und nicht zuletzt Erschöpfung durch Hass und Anfeindungen. Besonders in der ethnografischen Feldforschung (Bercht und Sandner Le Gall 2024) erfahren Forschende unmittelbar, was es bedeutet, durch Überschwemmungen Häuser zu verlieren oder zur Migration gezwungen zu sein. Was es heißt, Träume aufzugeben, Heimat und Identität zu verlieren und mit Unsicherheit und Angst zu leben. In meiner Forschung zu den Folgen des Klimawandels auf die Küstenfischerei auf den Lofoten in Norwegen wurde ich Zeugin von Ertragsverlusten bei der Stockfischproduktion, Zukunftssorgen wegen möglicher Veränderungen der Fischmigration und dem Ringen um den Erhalt von Traditionen. Abstrakte Daten wurden greifbar: Sie bekamen Gesichter, Stimmen und Geschichten. Das hinterlässt Spuren.

Emotionalität und Professionalität – kein Widerspruch

Viele Bereiche der Klimawissenschaften folgen – mit Ausnahme einiger sozialwissenschaftlicher Ansätze – traditionell dem Anspruch, wissenschaftliche Objektivität und Neutralität uneingeschränkt erfüllen zu können. Gefühle wie Angst oder Trauer bleiben daher häufig unausgesprochen – aus Sorge, wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zu gefährden. Doch Professionalität mit Emotionslosigkeit gleichzusetzen, ist nicht nur unrealistisch, sondern auch problematisch. Es verkennt, dass Forschung, gerade im Kontext der Klimakrise, immer auch ein Beziehungsgeschehen ist. Zudem können Emotionen wertvolle Erkenntnisquellen sein: Sie machen Widersprüche und blinde Flecken sichtbar und fordern etablierte Denk- und Handlungsmuster heraus.

Die eigentliche Herausforderung sollte daher nicht darin liegen, Emotionen zu verdrängen oder zu leugnen, sondern darin, sie bewusst wahrzunehmen, kritisch zu reflektieren und konstruktiv in den Forschungsprozess einzubinden.

Es geht nicht darum, persönliche Überforderung und Selbstmitleid in den Mittelpunkt zu stellen oder Panik zu schüren, sondern darum, Emotionen als Teil wissenschaftlicher Praxis anzuerkennen und einen Dialog darüber zu fördern.

Institutionelle Unterstützung

Ein offener, verantwortungsvoller Umgang mit emotionaler Belastung erfordert unterstützende institutionelle Strukturen. Formate wie Peer-Mentoring, Supervision, Resilienz-Workshops oder Gruppenangebote können Raum für Austausch und Zusammenhalt schaffen. Auch in der Ausbildung sollten Kompetenzen im Umgang mit emotionalem Stress, Selbstfürsorge und kollegialer Unterstützung gezielt vermittelt werden – etwa in Curricula oder Doktorandenkolloquien. Solche Maßnahmen fördern nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern auch ein nachhaltiges Engagement in der Klimaforschung.

Literatur 
Bercht, A. L. und V. Sandner Le Gall (2025): The emotional toll of fieldwork. Nature Climate Change 15, S. 461–462.

Kontakt
Dr. Anna Lena Bercht
Universität Kiel, Geographisches Institut
bercht@geographie.uni-kiel.de

Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 11-2025 erschienen.