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Tagungsbericht: AK Agri-Food Geographies & AK Geographische Handelsforschung

Tagungsbericht

AK Agri-Food Geographies & AK Geographische Handelsforschung

Jahrestagung „AK AGRI-FOOD GEOGRAPHIES MEETS AK GEOGRAPHISCHE HANDELSFORSCHUNG“ 25.-27.04.2024 in Würzburg

Vom 25. April bis zum 27. April 2024 fand im Burkardushaus im Herzen Würzburgs die gemeinsame Jahrestagung der beiden Arbeitskreise Agri-Food Geographies und Geographische Handelsforschung statt. Im Mittelpunkt der von den Teams der Wirtschafts- sowie der Sozialgeographie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ausgerichteten Jahrestagung standen Beiträge, die einen Bezug sowohl zur Geographischen Agri-Food als auch Handelsforschung aufweisen. Der Call for Paper fragte deshalb insbesondere nach integrativen Beiträgen z.B. zur Sicherung der Nahversorgung in Stadt und Land und entsprechenden Handels- und Logistiklösungen, zu Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien im Ernährungssektor, zu kommunalen Ernährungsstrategien, zu den Machtbeziehungen und Konzentrationstendenzen im Handel, zu Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft, sowie zur Entwicklung in Agri-food-Wertschöpfungsketten, insbesondere den Auswirkungen der Digitalisierung. Zudem wurde ausreichend Raum für Varia-Beiträge dezidiert aus der Geographischen Handels- bzw. der Agri-Food-Forschung geboten. Der Einladung zur erstmals gemeinsam ausgerichteten Tagung der beiden Arbeitskreise folgten über 60 Personen aus Wissenschaft und Praxis.

Die Teilnehmer*innen der diesjährigen gemeinsamen Jahrestagung der AKs Agri-Food Geographies und Geographische Handelsforschung vor der Tagungsstätte Burkardushaus in der Würzburger Innenstadt (Foto: Katrin Bonarens)

Tag 1: Donnerstag, 25. April 2024 – Schwerpunkt AK Agri-Food Geographies

Den Auftakt der Jahrestagung gestalteten Pinar Akbaba und Sebastian Rauch (beide Universität Würzburg) im Rahmen der Session „Agri-Food Wirtschaftsgeographien“. Im Fokus stand die dezentrale Versorgung mit Lebensmitteln in ländlichen Räumen Bayerns. Die präsentierten Befragungsergebnisse zeigen auf, welche wichtige Rolle Dorfläden nicht nur für die lokale Versorgung, sondern v.a. auch als soziale Treffpunkte spielen.

Im Anschluss beleuchtete Victoria Luxen (Universität zu Köln) die Digitalisierung in der afrikanischen Landwirtschaft und die Rolle deutscher Akteure, darunter Hersteller von landwirtschaftlichen Maschinen sowie Software- und Big-Data-Unternehmen. Ihr Beitrag verdeutlichte die komplexen Verflechtungen von kommerziellen Interessen und politischen Zielsetzungen innerhalb der digitalen Transformation.

Franziska Czernik und Amelie Bernzen (beide Universität Vechta) analysierten, wie Lebensmittelabfälle in der Literatur zur Kreislaufwirtschaft diskutiert werden. Ein besonderer Fokus lag auf der Bedeutung räumlicher Einbettung und Netzwerke von Circular Economy-Initiativen, die darauf abzielen, Lebensmittelabfälle in städtischen Umgebungen zu reduzieren und zu verwerten.

In der zweiten Session zu „Alternative Food Networks/ Alternative Ernährungsnetzwerke“, betrachtete Silvia Wiegel (Universität Bayreuth) organisationale Merkmale und Ziele von Initiativen der Lebensmittelrettung in Deutschland, u.a. Foodsharing und Lebensmittel-Tafeln.

Lea Loretta Zentgraf und Judith Müller (beide Universität Heidelberg) stellten anschließend zwei Fallstudien (Solidarische Landwirtschaften und Ernährungsräte) vor, die im Rahmen der BMBF-Forschungsgruppe Food for Justice das transformative Potenzial von Alternative Food Networks im deutschen Agrar- und Ernährungssystem untersuchen.

Kristina Steinmar (TU Berlin) präsentierte schließlich Ergebnisse ihrer Online-Umfrage zu Arbeitsbedingungen in der Solidarischen Landwirtschaft und ging dabei u.a. auf Aspekte der Arbeitszeiten, Urlaub und Entlohnung sowie die Wahrnehmung der Solawi-Mitglieder hinsichtlich ihrer beruflichen Zufriedenheit ein.

Im Anschluss fand die Mitgliederversammlung des im April 2022 gegründeten AK Agri-Food Geographies statt. Dabei stellten Amelie Bernzen und Franziska Czernik die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zur Gestaltung von Mitgliedsbeiträgen und möglichen Tätigkeitsfeldern vor. Beschlossen wurde u.a., dass es weiterhin keine Mitgliedsgebühren im AK geben soll, und dass künftig Preise für Abschlussarbeiten zu AK-relevanten Themen vergeben werden sollen (Ausschreibung folgt). Weiterhin wurde das aktuelle Sprecherinnenteam – Amelie Bernzen, Doris Schmied, Anika Trebbin, Birgit Hoinle und Franziska Czernik – um Marit Rosol und Mirka Erler erweitert. Die nächste Tagung wird 2025 (voraussichtlich Ende März) von der Arbeitsgruppe von Martin Franz an der Universität Osnabrück ausgerichtet.

Im Anschluss trafen sich alle Tagungsteilnehmer*innen wieder zum gemeinsamen Abendessen.

Tag 2: Freitag, 26. April 2024 – Agri-Food Geographies trifft Geographische Handelsforschung

Der zweite Tag startete mit einer Session zu „Nachhaltigkeitstransformationen im Agri-Food-Sektor“.

Zunächst führte Anika Trebbin (Thünen-Institut für Marktanalyse) in den „Etikettendschungel“ (sic!) der Lebensmittelkennzeichnung ein. Sie stellte den aktuellen politischen und methodologischen Kontext für Umwelt- und CO2-Kennzeichnungen von Lebensmitteln in Deutschland und Europa sowie private Initiativen in diesem Bereich vor.

Eva Wendeberg (Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel) und Wanda Wieczorek (Karlsruher Institut für Technologie) gingen anschließend in ihrem Vortrag der Frage nach, wie transdisziplinäre und transformative Forschung den Wandel hin zu einem nachhaltigeren Konsum und Produktionssystem unterstützen kann.

Merle Müller-Hansen (Universität Augsburg) präsentierte eine innovative Methode zur Visualisierung von Food Environments mit Hilfe von Zeit-Raum-Nachhaltigkeitswürfeln (Time Space Sustainability Cubes).

 

In Session 4 zum Thema „(Globale) Wertschöpfungsketten“ präsentierte Maria-Caterina Velte (Humboldt-Universität zu Berlin) eine kritisch-theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept des Social Upgrading in der Global Value Chain-Forschung sowie zu der Frage, wie ein equitable social upgrading, welches nicht zu Lasten marginalisierter Gruppen geht, möglich ist.

Hannah Paul und Carola Wilhelm (beide FAU Erlangen-Nürnberg) gingen der Frage nach, welche Rolle Grenzregionen innerhalb des Wirtschaftsgeschehens und der Wertschöpfungsbeziehungen spielen. Am Beispiel der Bierindustrie in der bayerisch-tschechischen Grenzregion diskutierten sie u.a. die Konzepte von adaptive und strategic embeddedness.

Linda Hering (Humboldt-Universität zu Berlin) widmete sich den Auswirkungen von externen Schocks auf landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten und bot einen systematischen Überblick. Ein zugehöriger Sammelband mit Fallstudien aus unterschiedlichen geographischen Regionen erscheint Ende des Jahres.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen führten uns Sarah Hauck und Christopher May (beide Universität Würzburg) durch die Würzburger Innenstadt. Die beiden Masterstudierenden vermittelten Einblicke in aktuelle Einzelhandelsentwicklungen und präsentierten ausgewählte Orten des Handels und der Ernährung, darunter den „Grünen Markt“ als Ort der landwirtschaftlichen Direktvermarktung (siehe Foto), das genossenschaftlich betriebene „Zukunftshaus Würzburg“, welches Kauf, Miete, Tausch und Reparatur vereint sowie den 24-Stunden-Automaten-Kiosk in der Sanderstraße.

Eine Station des geführten Spaziergangs war der Würzburger Marktplatz mit Ständen der Direktvermarktung aus der Region (Foto: Marit Rosol)

In Session 5 standen „Globale Produktionsnetzwerke – Das Beispiel Kakao“ im Mittelpunkt.

Jan Dreier (FIAN Germany, vormals Universität Osnabrück) analysierte, wie Unternehmen durch visuelle Produktrepräsentationen, wie etwa Schokoladenverpackungen, symbolische Werte (re-)produzieren und gleichzeitig problematische Aspekte ihrer Produkte vor den Konsument*innen verbergen.

Jana Rülke (Universität Osnabrück) zeigte auf, wie sich die Einbettung Globaler Produktionsnetzwerke in sehr unterschiedliche nationale und lokale Traditionen des Kakaos in Ghana und Costa Rica auf die Bedeutung nachhaltiger Zertifizierung von Kakaoanbau auswirkt.

Isabelle Dachs (CBS International Business School) verband in ihrem Vortrag anhand der Inwertsetzung des landwirtschaftlichen Nebenprodukts Kakaoschalen durch Kompostproduktion in Ghana dem Thema globaler Kakao-Produktionsnetzwerken mit dem der Kreislaufwirtschaft.

Hannah Arnold (Universität Osnabrück) untersuchte ebenfalls die Wertschöpfung der Kakaoschalen in Ghana, diesmal anhand kleiner Seifenproduktionsbetriebe und Kosmetikunternehmen. Sie zeigte auf, wie diese in ihren Veredelungsstrategien durch den Grad der Rückverfolgbarkeit sowie durch unterschiedliche Motivationen innerhalb der Globalen Produktionsnetzwerke beeinflusst und eingeschränkt werden.

Teilnehmende des AK Agri-Food Geograpies meets AK Geographische Handelsforschung während eines Vortrags (Foto: Katrin Bonarens)

Im Rahmen der anschließenden Preisverleihung des AK Geographische Handelsforschung stellte der letztjährige Preisträger Christoph May (Universität Würzburg, ehemals RWTH Aachen) die Ergebnisse seiner prämierten Bachelorthesis zum Fahrradeinzelhandel in Köln vor.

In der folgenden Mitgliederversammlung des AK Geographische Handelsforschung stellte Jürgen Rauh die Aktivitäten des vergangenen Jahres sowie die Downloadzahlen der AK-Schriftenreihe kurz vor. Weiterhin wurden zukünftige personelle Veränderungen im Sprecher*innenteam – derzeit bestehend aus Sina Hardaker, Elmar Kulke, Cordula Neiberger, Peter Pez, Jürgen Rauh sowie Make Dziomba – bekanntgegeben und Interessierte herzlich zur Wahl im nächsten Jahr eingeladen Die nächste Tagung wird 2025 (voraussichtlich im Mai/Juni) von der Arbeitsgruppe von Elmar Kulke an der Humboldt-Universität Berlin ausgerichtet.

Bei einem gemeinsamen Abendessen am Würzburger Mainufer ließen die Teilnehmenden den Tag ausklingen.

Tag 3: Samstag, 27. April 2024 – AK Geographische Handelsforschung

Im Rahmen der Session ‚Zugang zu Lebensmitteln und Märkten‘ präsentierte zunächst Mirka Erler (Universität Vechta) Ergebnisse aus ihrer Feldforschung zum städtischen Marketing von Hirse und dessen Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen von Kleinbäuer*innen in und um Bengaluru, Indien.

Sarah Hauck von der Universität Würzburg stellte in ihrer Untersuchung vor, inwieweit 24/7-Automaten-Kioske in den Innenstädten von Würzburg und Nürnberg ein Trend oder eine dauerhafte Erscheinung sind und welche Auswirkungen sie auf umliegende Akteursgruppen haben.

Die letzte Session der Tagung widmete sich ‚Aktuellen Entwicklungen in der Geographischen Handelsforschung‘. Michelle Marie-Luise Zander von der Universität zu Köln fokussierte die Logistikbranche und stellte neue Standorte im Online- und Hybridhandel vor. Sie unterstrich besonders die Notwendigkeit einer differenzierten Analyse der Logistik, insbesondere in Bezug auf die Unterscheidung zwischen schnellen und langsameren Vertriebsmodellen.

Kurt Klein (emeritus der Universität Regensburg) regte an, die zukünftige Ausrichtung der geographischen Handelsforschung zu diskutieren. Er erörterte dabei das Beispiel des (Einzel-)Handels mit Wasser.

Abschließend präsentierte Sina Hardaker (Universität Würzburg) eine konzeptionelle Weiterentwicklung der Platform Fix-Perspektive am Beispiel der Nutzung digitaler Plattformen zur Bewältigung stadtökonomischer Herausforderungen im Einzelhandel.

Das Organisationsteam sowie die Sprecher*innen der beiden AKs bedanken sich herzlich bei allen Teilnehmenden für die interessanten Vorträge sowie die spannenden und sehr konstruktiven Diskussionen. Insgesamt erwies sich die gemeinsame Jahrestagung im Burkardushaus als wertvolle Plattform für den Austausch zwischen den zwei Arbeitskreisen und ermöglichte sowohl die vertiefende Behandlung von Themen geographischer Handelsforschung mit Fokus auf Landwirtschaft und Ernährung als auch neue Einblicke und Möglichkeiten zum Networking über den eigenen Arbeitskreis hinaus. Die Teilnahme von über 60 Expertinnen und Experten zeugte von einem großen Interesse an den behandelten Themen und ermöglichte eine produktive Auseinandersetzung und einen gewinnbringenden Dialog zwischen den Arbeitskreisen. Das nächste Jahrestreffen des Arbeitskreises Agri-Food Geographies wird in Osnabrück (voraussichtlich Ende März 2025), das nächste Jahrestreffen des Arbeitskreises Geographische Handelsforschung in Berlin (vorauss. Mai/ Juni 2025) ausgerichtet. Genauere Informationen werden zu gegebener Zeit über die bekannten Verteiler gestreut. Die beiden Arbeitskreise laden schon jetzt alle Interessierten herzlich ein.

Sina Hardaker, Jürgen Rauh und Marit Rosol

Weitere Informationen:

https://www.geographie.uni-wuerzburg.de/wirtschaftsgeographie/

https://www.geographie.uni-wuerzburg.de/sozialgeographie/

https://ak-agrifoodgeos.org/

https://www.geographie.hu-berlin.de/de/abteilungen/wirtschaftsgeographie/AK-Einzelhandelsforschung

 

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