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3. Arbeitskreis Raumphänomenologie: “Phänomenologische Zugänge zur gebauten Welt” 07.05. – 09.05.2026 in Jena

3. Arbeitskreis Raumphänomenologie
»Phänomenologische Zugänge zur gebauten Welt«
07.05. – 09.05.2026 in Jena

Im dritten Treffen des Arbeitskreises »Raumphänomenologie« (https://ak-raumphaenomenologie.de) möchten wir uns mit der »gebauten Welt« als soziomaterielle Wirklichkeit auseinandersetzen. Dabei stellen wir uns die zentrale Frage, wie Städtebau, (Landschafts-)Architektur und gestaltete Räume aus einer phänomenologischen Perspektive heraus verstanden werden können – also nicht primär als Objekte oder reine Materialität, sondern als phänomenale Erfahrungsräume, wirkmächtige Dingwelt oder Atmosphären als »gestimmte Räume« (Böhme 2006) – in den Blick genommen werden können.

Dieser phänomenale Zugang hat sowohl theoretische, methodologische, als auch empirische Implikationen für Forschungs- und Planungsprozesse. Planen, Denken, am Reißbrett entwerfen, Schreiben: Alle diese Tätigkeiten werden üblicherweise gänzlich als intellektuelle begriffen (espace conçu Lefebvre 1991  [1974]), doch sie sind auf die Einheit von Körper und Geist angewiesen und können nur durch diese vollzogen werden (Pallasmaa 2009). Architektur »sieht oft gut aus«, wenn sie (wie heute) am Computerbildschirm entworfen wird, doch wie sie sich »anfühlt« und lebensweltlich konkret wirkt lässt sich nicht »begreifen«, ohne sie als Gesamtheit mit allen leiblichen Sinnen zu erleben (Pallasmaa 2024 [1996]). Wenn wir von der »gebauten Welt« sprechen, so wird deutlich, wie bedeutsam Architektur für uns Menschen ist: Sie ist – im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren – nicht unsere Umwelt als Bereich des unmittelbaren, organisch gebundenen Bezugs des Lebewesens zu seiner Umgebung, sondern Teil unserer Lebenswelt. Diese unsere Welt ist durch den Hiatus mit der »reinen Natur« als Sphäre der Sachverhalte, menschlichen Dingwelt und Artefakten sowie durch die »exzentrische Positionalität« des Menschen radikal different und offen (Plessner 2016[1928]). Die gebaute Welt wird von uns geprägt und sie prägt uns. Die besondere »Aura« (Benjamin) oder der »Charakter«, die »Stimmung« eines Ortes wird dabei häufig als Genius Loci bezeichnet (Norberg-Schulz 1982).

Doch Räume sind nicht nur »gestimmt«, sie sind auch »politisch«. Die Art und Weise, wie Gebäude, Plätze und städtische Strukturen entworfen werden, beeinflusst soziale Interaktionen, schließt bestimmte Gruppen aus oder bevorzugt andere. Die Stimmung eines Ortes wäre dann nicht nur eine ästhetische Kategorie, sondern ein Indikator für Machtverhältnisse, Zugehörigkeiten oder Ausgrenzungen (Hasse 2016).

Dem »sinnhaften Aufbau der gebauten Welt« (Steets 2015) wollen wir uns in raumphänomenologischer Perspektive annähern. Neben Beiträgen aus der Geographie freuen wir uns auch auf Einreichungen aus Soziologie, Architektur, Planung, Didaktik und verwandten Disziplinen.

Zu folgenden Themenbereichen und Konzepten können wir uns Beiträge
vorstellen, sind aber auch offen für anderweitige Vorschläge:

  • Intentionalität & gebaute Welt: Nach Husserl bedeutet »Intentionalität« Bewusstsein von etwas. Diese Gerichtetheit ist die grundlegende Struktur, die alle Erlebnisse und Erkenntnisse trägt. Was bedeutet damit Intentionalität für die Erforschung der »gebauten Welt«?
  • Lebenswelt & Ortsbezug: »Sense of place«, »place attachment«, »non-places«: Welche phänomenologische Dimension haben Brücken, Mauern, Wege, Flüchtlingslager, Gated Communities, u.a.m. für die raumbezogene Lebensweltforschung?
  • Methodologie & gebaute Welt: Welche Implikationen hat eine phänomenologische Erforschung der »gebauten Welt« für Epistemologie, Methodologie und Methodik?
  • Planung & Architektur: Welche Raumvorstellungen wirken, wenn Räume geplant werden? Wie können Atmosphären als »gestimmte Räume« phänomenologisch konzipiert werden?
  • Wohnen & Existenz: Wohnen ist nicht nur eine Funktion, sondern u.a. eine Weise des Daseins (Heidegger). Welche sozialgeographische Existentialität liegt im Wohnen (und respektive in »Obdachlosigkeit«) begründet?

Bibliographie

Böhme, G. (2006): Architektur und Atmosphäre. Verlag Wilhelm Fink: Paderborn.

Hasse, J. (2016): Kritische Phänomenologie des Raumes. Was Räume mit uns machen – und wir mit ihnen. Verlag Karl Alber: Baden-Baden.

Lefebvre, H. (1991 [1974]): The Production of Space. Blackwell: Oxford.

Norberg-Schulz, C. (1982): Genius Loci. Landschaft, Lebensraum, Baukunst. Klett-Cotta: Stuttgart.

Pallasmaa, J. (2009): The thinking hand: Existential and embodied wisdom in architecture. John Wiley & Sons: Hoboken (NJ).

Pallasmaa, J. (2024[1996]): The eyes of the skin: Architecture and the senses. 4. Aufl., John Wiley & Sons: Hoboken (NJ).

Plessner, H. (2016[1928]): Die Stufen des Organischen und der Mensch. Gesammelte Schriften IV, Suhrkamp Verlag: Berlin.

Steets, S. (2015): Der sinnhafte Aufbau der gebauten Welt. Eine Architektursoziologie. Suhrkamp: Berlin.

 

Wir freuen uns über Beitragsvorschläge (max. 500 Wörter) unter Angabe des geplanten Formats ((klassischer Vortrag, Workshop, Lesezirkel, etc.) bis zum 30.02.2026 unter info@ak-raumphaenomenologie.de.

Thomas Dörfler – Jena (thomas.doerfler@uni-jena.de)
Eberhard Rothfuß – Bayreuth (eberhard.rothfuss@uni-bayreuth.de)
Serge Leopold Middendorf – Augsburg (serge.middendorf@uni-a.de)
Lukas Pieroth – Koblenz (pieroth@uni-koblenz.de)

 

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