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Call for Papers: Workshop Ländliche Mobilitäten. Konzeptionelle Ansätze, methodische Zugänge und empirische Herausforderungen

Call for Papers für den Workshop Ländliche Mobilitäten. Konzeptionelle Ansätze, methodische Zugänge und
empirische Herausforderungen

22./23. Oktober 2026, Schelling-Forum, Würzburg

Der „Mobility Turn“ (Cresswell 2006) bzw. das „Mobility Paradigm“ (Sheller & Urry 2006) haben für die humangeographische und sozialwissenschaftliche Forschung vielfältige konzeptionelle, empirische und methodische Anregungen geliefert. Ein erweitertes Verständnis von Mobilität – als sowohl physische wie auch soziale Veränderung – kann dazu beitragen, aktuelle gesellschaftliche Transformationen zu erfassen und ermöglicht zudem eine produktive Verknüpfung verschiedener Literatur- und Forschungsstränge. Das betrifft nicht nur die konzeptionellen Ansätze und empirischen Gegenstände der Forschung, sondern auch die Art und Weise, wie Forschung gerahmt und empirisch
betrieben wird. Die Möglichkeiten, die sich aus dieser erweiterten Perspektive auf Mobilität ergeben können, möchte der Workshop für die ebenfalls dynamischen Geographien ländlicher Räume diskutieren. Beispielhaft für die verschiedenen
Dimensionen ländlicher Mobilitäten stehen die folgenden vier thematischen Bereiche:

  1. Mobilität von und hin zu ländlichen Räumen: Fragen danach, welche Menschen aus welchen Gründen, auf welchen Wegen und in welchem zeitlichen Rahmen in ländliche Räume kommen oder diese verlassen, gehören zu den klassischen Gegenständen der Bevölkerungs-, Migrations- und Tourismusforschung (vgl. Halfacree 2008). Aber auch die Mobilität von Kapital, Waren und Dienstleistungen nimmt aufgrund globaler und komplexer Wertschöpfungsketten, zum Beispiel in der Landwirtschaft, zu (vgl. Ouma & Vorbrugg 2020). Weiterhin wird „virtuelle Mobilität“ ohne physische Ortsveränderung immer bedeutsamer. Für alle diese Fragen ist dabei zwischen
    gewünschter und ungewollter Mobilität zu unterscheiden.
  2. Mobilität innerhalb von ländlichen Räumen: Die Sicherstellung von Mobilität in ländlichen Räumen jenseits des motorisierten Individualverkehrs ist seit langem ein Gegenstand der Verkehrsgeographie und -planung (vgl. Wittowsky & Ahlmeyer 2018). Hierbei wird die Kombination verschiedener Verkehrsträger wie auch digitale Technologien und deren Möglichkeiten für die Bereitstellung eines öffentlichen Verkehrs als Teil der Daseinsvorsorge immer bedeutsamer (vgl. Levin-Keitel et al. 2023) – wobei aktive Formen der Mobilität anscheinend der Großstadt vorbehalten bleiben sollen (vgl. Birk et al. 2023). Weiterhin zeigen vergeschlechtlichte Mobilitätsformen (vgl. Preston et al. 2024) sowie soziale Probleme wie „Mobilitätsarmut“ (Lucas et al. 2016) spezifische Muster in ländlichen Räumen, die auch in aktuellen rechtspopulistischen Mobilisierungen aufgegriffen werden.
  3. Mobilität zwischen ländlichen Räumen: Zumeist wird Mobilität in ländlichen Räumen hinsichtlich der (fehlenden) Erreichbarkeit von urbanen Agglomerationsräumen betrachtet. Autobahnen oder auch Trassen von Hochgeschwindigkeitszügen symbolisieren eine Mobilität durch ländliche Räume „hindurch“, ohne diese regional oder überregional anzubinden. Jedoch stehen auch verschiedene ländliche Räume in Austausch und Bewegung miteinander. So lässt sich etwa in Anlehnung an die „Urban Policy Mobilities“-Debatte (McCann 2011) auch nach der Mobilität von Paradigmen ländlicher Entwicklung fragen.
  4. Mobilität von ländlichen Räumen: Zur Vielfalt ländlicher Räume gehört auch deren permanente Veränderung und Bewegung (vgl. Belina et al. 2022). Ländliche Räume lassen sich nicht statisch betrachten, sondern sie befinden sich im „Auf- oder Abstieg“, z.B. in regionalen Rankings, Ländlichkeits-Indizes oder Tourismusranglisten. Ländliche Räume können sich auch physisch bewegen, die Umsiedlung von Dörfern für den Braunkohletagebau oder Neuansiedlung von Chalets stehen dafür beispielhaft.

Mobilität bildet damit einen Zugang, der Verbindungen zwischen den Geographien ländlicher Räume mit der Verkehrs-, Tourismus-, Bevölkerungs- und Genderforschung wie auch der Digitalen Geographie und der sozialwissenschaftlichen
Infrastrukturforschung herstellen kann. Darüber hinaus kann Mobilität zu sozialen Ungleichheiten und Ausschlüssen führen, aber auch Ansatzpunkt für gesellschaftliche Transformationen bilden. Vor diesem Hintergrund laden wir Beiträge ein, die sich mit Mobilität und ländlichen Räumen aus den genannten – oder auch weiteren – Perspektiven befassen. Entsprechend freuen wir uns über

a) konzeptionelle Beiträge, die ländliche Mobilität versuchen, theoretisch zu fassen,
b) empirische Beiträge zu Beispielen ländlicher Mobilitäten, deren Widersprüche, Konflikten und Möglichkeiten der politischen Steuerung aus unterschiedlichen geographischen Kontexten,
c) methodische Beiträge, die mobile Zugänge der Datenerhebung und -auswertung für die Untersuchung ländlicher Räume nutzen.

Hierfür bitten wir um Abstracts im Umfang von nicht mehr als 300 Wörtern, die bis 31. März 2026 unter l-geohuman@uni-wuerzburg.de einzureichen sind. Nach der Bestätigung über die Annahme der Abstracts sollen bis zum 15. September 2026 erweiterte Abstracts vorliegen, die die Grundlage für die Diskussion auf dem Workshop und die anschließende Publikation bilden. Es ist geplant, die Beiträge des Workshops in der Buchreihe „Kritische Landforschung“ (https://www.transcript-verlag.de/reihen/geographie/kritische-landforschung.-umkaempfte-ressourcen-transformationen-des-laendlichen-und-politische-alternativen/?f=12320) zu publizieren.

Der Workshop wird zwei halbe Tage mit einer Übernachtung umfassen. Für Nachwuchswissenschaftler*innen können die Kosten für Anreise und Unterkunft übernommen werden.

Andreas Kallert (Eichstätt), Michael Mießner (Trier), Matthias Naumann (Würzburg) & Anke Strüver (Graz)

 

Literatur

Belina, B., Kallert, A., Mießner, M. & Naumann, M. (Hrsg.) (2022): Ungleiche ländliche Räume. Widersprüche, Konzepte und Perspektiven. Bielefeld.

Birk, Maximilian, Blees, Volker & Jäger, Anna (2022): Die Kleinstadt als Hemmschuh der Mobilitätswende? Herausforderungen und Lösungsansätze für die Mobilitätswende in Kleinstädten. In: Gribat, Nina, Ülker, Baris, Weidner, Silke, Weyrauch, Bernhard & Ribbeck-Lampel, Juliane (Hrsg.): Kleinstadtforschung. Interdisziplinäre Perspektiven. Bielefeld, 259-285.

Cresswell, T. (2006): On the Move. Mobility in the Modern Western World. London.

Halfacree, K. (2008): To Revitalise Counterurbanisation Research? Recognising an International and Fuller Picture. Population and Space, 14(6), 479- 495. https://doi.org/10.1002/psp.501

Levin-Keitel, M., Allert, V., Gödde, J. & Krasilnikova, N. (2023): Mobilitätswende in Stadt und Land – Über eine räumliche Perspektive der Transformation zu nachhaltiger Mobilität. In: Schmidt-Lauber, B., Othengrafen, F., Pohlan, J. & Wehrhahn, R. (Hrsg.): Jahrbuch StadtRegion 2021/2022. Stadt-Land-Relationen. Disziplinäre Spurensuche. Wiesbaden, 183-203.

Lucas, Karen, Mattioli, Giulio, Verlinghieri, Ersilia & Guzman, Alvaro (2016): Transport poverty and its adverse social consequences. Proceedings of the Institution of Civil Engineers – Transport 1, 169(6), 353–365. https://doi.org/10.1680/jtran.15.00073

McCann, E. (2011): Urban Policy Mobilities and Global Circuits of Knowledge: Toward a Research Agenda. Annals of the Association of American Geographers, 101(1), 107-130. https://doi.org/10.1080/00045608.2010.520219

Ouma, S. & Vorbrugg, A. (2020): Große Transformationen des Ländlichen: Agrarwirtschaft in der globalen Marktwirtschaft. In: Gebhardt, H., Glaser, R., Radtke, U. & Reuber, P. (Hrsg.): Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Heidelberg, 926-937.

Preston, V., Monika Maciejewska, M., McLafferty, S. & Yeoh, B. (2024): Handbook of Gender and Mobilities. Cheltenham.

Sheller, M. & Urry, J. (2006): The New Mobilities Paradigm. Environment and Planning A: Economy and Space, 38(2), 207-226. https://doi.org/10.1068/a37268

Wittowsky, D. & Ahlmeyer, F. (2018): Verkehr im ländlichen Raum. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung. Hannover, 2791-2797.