Forschung

Einblicke in die Geographie

Das Grundwasser – ein übersehenes Schlüsselökosystem

Robert Reinecke im Gespräch mit Franziska Krachten

Das Grundwasser ist die größte nicht gefrorene Süßwasserressource unserer Erde und es versorgt die Hälfte der in Städten lebenden Bevölkerung weltweit mit Trinkwasser. 1000 Kubikkilometer Wasser werden global pro Jahr an die Oberfläche gepumpt. Damit verbrauchen wir mancherorts weit mehr als natürlicherweise wieder aufgefüllt wird und die Grundwasserspiegel nehmen kontinuierlich ab. Neben der Trinkwasserproblematik ist aber die Bedeutung des Grundwassers für zahlreiche Ökosysteme bisher übersehen worden, erläutert Robert Reinecke, der an digitalen Modellierungen globaler Wasserressourcen forscht.

Karstsystem in den Plitvicer Seen: Karstgrundwassersysteme sind ein großer, wichtiger Lebensraum. Foto: R. Reinecke

Welche Bedeutung hat das Grundwasser für das Ökosystem?
Das Grundwasser ist selbst ein wichtiges Ökosystem, das für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und der menschlichen Bevölkerung eine entscheidende Rolle spielt. Es speist Feuchtgebiete, Flüsse und Seen und stellt so eine wichtige Verbindung zwischen unter- und oberirdischen Ökosystemen her. Viele Land-, Ufer- und
Wasserökosysteme sind für ihr Überleben auf das Grundwasser angewiesen.
Grundwasser spielt aber auch eine Rolle bei der Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels. Es kann als Puffer gegen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökosysteme wirken, indem es Wasser in Zeiten von Trockenheit an Oberflächengewässer und Wälder liefert.

In welchem Zustand ist das Grundwasser in Deutschland?
Die Situation des Grundwassers in Deutschland bietet ein gemischtes Bild. In quantitativer Hinsicht ist es meist in einem guten Zustand. Wobei es unklar ist, ob dieser Zustand mit sich veränderndem Klima und damit verändernder Grundwasserneubildung so bleiben wird. Denn die Grundwasserneubildung erfolgt durch Wasser, das entweder über große Flächen durch den Boden oder durch Oberflächengewässer in den Grundwasserleiter infiltriert. Beide Prozesse können sich mit dem Klimawandel stark verändern. Die chemische Qualität stellt jedoch ein Problem dar: 32 % der Grundwasserkörper weisen aufgrund von Verunreinigungen, vor allem durch Nitrate und Pestizide, eine schlechte Qualität auf.
Die Grundwassernutzung und -qualität ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Zwar gibt es Bemühungen zum Schutz des Grundwassers, aber die Forderungen nach verstärkten Schutzmaßnahmen werden lauter. Insbesondere der Erhalt der biologischen Vielfalt und die Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels stehen dabei im Mittelpunkt der Forderungen.

Was müsste getan werden, um das Grundwasser besser zu schützen?
Weltweit stehen Grundwassersysteme unter enormen Druck, da sie oft die einzigen zuverlässigen Trinkwasserquellen vor allem in Zeiten von Dürren und Überflutungen sind. Wir verbrauchen Grundwasser in einem nicht nachhaltigen Ausmaß, wobei etwa ein Drittel der größten Grundwassereinzugsgebiete von Erschöpfung bedroht ist. Dieser übermäßige Verbrauch bedroht sowohl die Ökosysteme als auch die menschliche Wassersicherheit. In Deutschland ist das Grundwasser gesetzlich nicht als Lebensraum geschützt, sondern wird nur als Ressource begriffen. Das sollten wir ändern.

KONTAKT
Juniorprof. Dr. Robert Reinecke, Geographisches Institut, Johannes- Gutenberg-Universität Mainz
reinecke@uni-mainz.de

Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 01/02-2025 erschienen.