Forschung

Einblicke in die Geographie

Energiewende verbindet – Chancen integrativer human- und physisch-geographischer Forschung

Erneuerbare Energien sollen eine zentrale Rolle dabei spielen, die globale Erwärmung auf unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Wie ihr forcierter Ausbau angesichts der begrenzten Landressourcen gelingen kann und welche gesellschaftlichen Folgen mit der Technisierung von Landschaften einhergehen, ist jedoch unklar und teilweise umstritten (vgl. Foto). Daher müssen die räumlichen Ausmaße und soziotechnischen Implikationen jener Energielandschaften ergründet werden, die die Erderwärmung entsprechend den Zielsetzungen der Pariser Klimakonferenz einzudämmen versprechen. Dies wird explizit mittels eines interdisziplinären Forschungsansatzes aus Humangeographie und Physischer Geographie bearbeitet (vgl. Abb. 1a).

Das interdisziplinäre Forscherteam aus Augsburg modelliert hierzu potenzielle klimaneutrale Energielandschaften mittels Geographischer Informationssysteme, indem verschiedene Standortfaktoren erneuerbarer Energien in Form von Layern miteinander verschnitten und kartographisch visualisiert werden (vgl. Abb. 1b). Diese Arbeiten fallen auf den ersten Blick scheinbar klar in das Aufgabenspektrum der Humangeographie, da es vordergründig um wirtschaftsgeographische (Standortanalysen), sozialgeographische (Akzeptanz) und raumordnungsrechtliche Fragestellungen (Restriktionsflächen) geht. Doch ohne die Physische Geographie können langfristig keine exakten Aussagen zur optimalen räumlichen Verteilung erneuerbarer Energien getroffen werden. Unklar ist vor allem, inwiefern der regionalklimatische Wandel, der bereits heute nicht mehr aufzuhalten ist, zu signifikanten Veränderungen in den natürlichen Voraussetzungen für erneuerbare Energien führen wird, die es im Sinne einer flächeneffizienten Ausbaustrategie zu berücksichtigen gilt.

Ziel ist es daher, ein auf ganz Deutschland bezogenes Ensemble an Klimaszenarien zu erstellen, das die zentralen energiemeteorologischen Parameter – z. B. Windhöffigkeit, Turbulenzen, Globalstrahlung, Sonnenscheindauer, Temperatur sowie Biomasseerträge – in ihrer langfristigen standortbezogenen Variabilität erfasst. Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass eine vorausschauende regionale Kraftwerkseinsatzplanung diese Veränderungen einbeziehen muss.

Darauf aufbauend werden räumlichen Optionen erörtert, die sich aus der Variation von Restriktionen für erneuerbare Energien ergeben. Im Blickpunkt stehen dabei die Vorgaben der Raumordnung, des Baugesetzbuches und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Beispielsweise wird untersucht, wie sich variable Abstandsflächen zu Siedlungen auf die räumlichen Möglichkeiten der Windenergienutzung auswirken und welche Synergieeffekte sich zwischen Energieproduktion sowie Natur- und Artenschutz ergeben. Des Weiteren werden Flächennutzungskonflikte zwischen erneuerbaren Energien auf der einen, dem Tourismus, der Land- und Forstwirtschaft sowie Anwohnern auf der anderen Seite analysiert. Dabei zielt die Forschung darauf ab, potenzielle räumliche Konflikte frühzeitig zu antizipieren und je nach Kontext angepasste regionale Lösungen für einen sozial ausgewogenen Ausbau vorschlagen zu können.


Autoren

PD Dr. Stephan Bosch
Humangeographie & Transformationsforschung
stephan.bosch@geo.uni-augsburg.de

Prof. Dr. Harald Kunstmann
Regionales Klima & Hydrologie
harald.kunstmann@geo.uni-augsburg.de

beide: Institut für Geographie, Universität Augsburg

Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 6-2023 erschienen.