Forschung

Einblicke in die Geographie

Mit dem Polarflugzeug über Patagonien

Matthias Braun, mit Fragen von Franziska Krachten

Mit einem Forschungsflugzeug des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) flog Matthias Braun im November 2023 zum wiederholten Mal über Patagonien. Im Mittelpunkt steht dabei für ihn die Vermessung der Gletscher per Laserscanning, Laseraltimetrie und hochaufgelösten Luftbildern, um festzustellen wie viel Höhe die Gletscher verloren haben.

Blick auf den Viedma-Gletscher mit seiner Kalbungsfront. Im Hintergrund ist der Gordon Mariano Moreno zu sehen. © M. Braun

Was bedeutet es für Sie, die Veränderungen der spektakulären Landschaft zu beobachten, die Sie bei Ihren Flügen hautnah erleben?

Auf der einen Seite ist es eine unglaubliche Faszination, diese noch weitestgehend unberührte Landschaft so nah aus der Luft erkunden zu dürfen – ein echtes Privileg! Es macht mich aber auch traurig, wenn ich über die Jahre sehen kann, mit welcher Geschwindigkeit sich die Eismassen verändern. Für mich persönlich sind die Befliegungen auch ein Erfolgserlebnis, denn wir fliegen im noch immer umstrittenen Grenzgebiet von Argentinien und Chile. Das ist bisher in der Form einmalig und ein Ergebnis von jahrzehntelanger Arbeit durch den Aufbau von Vertrauen und engen Kontakten zu wissenschaftlichen Partnern, institutionellen Einrichtungen und Genehmigungsbehörden beider Länder. Hinzu kommt die Beantragung der Nutzung der Forschungsflugzeuge und die Umsetzung, was eine enge Abstimmung mit dem AWI, dem technischen Personal und den Piloten bedarf. Diese Herausforderungen müssen bereits bei der Planung der Forschung berücksichtigt werden.

Können Sie schon eine Prognose für die Gletscher-Entwicklung Patagoniens geben?

Derzeit sehen wir in vielen Gebieten Patagoniens eine beschleunigte Höhenabnahme. Dies betrifft vor allem Gletschereinzugsgebiete, die kein so großes bzw. hochliegendes Akkumulationsgebiet haben. Sie sind von den klimatischen Veränderungen, aber auch von den Veränderungen in den Seen und im Meer besonders betroffen. Wir sehen dies auch bei kleinen Gletschern, die nicht ins Meer oder in Seen kalben und dadurch nur den atmosphärischen Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte unterliegen. Unsere Analysen zeigen z. B., dass der Perito Moreno in den letzten drei bis vier Jahren erhebliche Höhenverluste im Zungenbereich erlitten hat, die, so sie sich fortsetzen, zu einem raschen Rückzug des Gletschers führen werden. Ähnliche Rückzugsszenarien haben wir bereits bei benachbarten Gletschern wie dem Upsala, Viedma, Jorge Montt oder O’Higgins erlebt. Andere Gletscher in Patagonien sind jedoch noch stabil; in manchen Teilen des südlichen patagonischen Eisfeldes sehen wir sogar eine Massenzunahme und einen Vorstoß, was vermutlich durch jahrelange erhöhte Akkumulation im hohen Einzugsgebiet im Zuge von Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation und des Feuchtetransports zu erklären ist (z. B. Pio-XI-Gletscher). Von der aktuellen Flugkampagne haben wir noch keine unmittelbaren Auswertungen, da die Datenmengen mit ca. 20 Terabyte enorm und die Auswertungen entsprechend aufwendig sind.

Zu den Filmaufnahmen der Rundflüge aus dem Jahr 2021

 

KONTAKT

Prof. Dr. Matthias Braun
Geographisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
matthias.h.braun@fau.de

Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 10-2024 erschienen.