Forschung

Einblicke in die Geographie

„Talking Trees“ als Botschafter des Klimawandels

Der Klimawandel wird von Schülerinnen und Schülern eher als Problem weit entfernter Regionen wahrgenommen, zeigen Untersuchungen in Bayern. Je näher das eigene regionale Umfeld ist, desto geringer wird die Betroffenheit durch den Klimawandel eingeschätzt. Das vom bayerischen Klimaforschungsprogramm Bayklif unterstützte Projekt BayTreeNet versucht dem mit einem integrierten Ansatz entgegenzuwirken: Mit Sensoren für Baumwachstum und Saftfluss ausgestattete Bäume senden ihre Daten in Echtzeit auf die Projekt-Homepage, wo sie gemeinsam mit lokalen Wetterdaten und Karten der aktuellen Wetterlage sichtbar werden. Die Bäume stehen an öffentlich zugänglichen Standorten wie Naturparkzentren oder waldpädagogischen Einrichtungen, sodass auch eine breite Öffentlichkeit erreicht wird.

Jeder Baum wird dabei von einer Schulklasse betreut, welche die Baumreaktionen in Abhängigkeit der Wetterdaten interpretieren und in einfache Sprachbotschaften über die Onlineplattform X (ehemals Twitter) übersetzen, die auf der Projekt-Homepage sichtbar sind.

 

Einfluss der Raumstruktur auf das Klima

Die Standorte der „Talking Trees“ sind so über Bayern verteilt, dass sie die nördlichen und östlichen Mittelgebirge, den Alpennordrand und die dazwischenliegenden warm-trockenen Beckenlandschaften abbilden. Durch die unterschiedliche Baumreaktion an verschiedenen Standorten wird deutlich, dass sich zeitgleiche Witterungsereignisse in topographisch komplex gegliederten Räumen wie Bayern nicht einheitlich auf Ökosysteme wie Wälder auswirken. Die Topographie wirkt sich stark modifizierend auf die Verteilung wachstumssteuernder Faktoren wie Niederschlag und Temperatur aus, sodass die Anströmrichtung der Luftmassen, die durch vorherrschende Großwetterlagen gesteuert wird, eine wichtige Rolle spielt.

Das bayernweite Netzwerk der „Talking Trees“ ist eingebettet in ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben mit drei Teilprojekten. Die Klimadynamik analysiert die zeitlichen Verteilungsmuster von Großwetterlagen in der Vergangenheit und erstellt Szenarien für deren Häufigkeit unter möglichen Klimaverhältnissen am Ende des 21. Jahrhunderts. Die Dendroökologie analysiert die kurzfristigen Wachstumsreaktionen in der Gegenwart und erstellt Wachstumsmodelle unter den vom Teilprojekt Klimadynamik ermittelten künftigen Klimabedingungen. Ferner werden holzanatomische Parameter und Verhältnisse stabiler Kohlenstoffisotope im Holz untersucht und ein Baum-Indikatornetzwerk für wichtige Waldbaumarten erstellt. Das von der Didaktik der Geographie geleitete Teilprojekt zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ermittelt Veränderungen in der Klimakompetenz und der Einstellung von Schülerinnen und Schülern, die forschend an dem Projekt mitgewirkt haben. Diese Erkenntnisse fließen in die Gestaltung eines Unterrichtskonzepts zum Klimawandel ein, das zu einer differenzierten und naturwissenschaftlich fundierten Sichtweise auf Klimawandelfolgen beitragen soll.

 

AUTOREN

Prof. Dr. Achim Bräuning, Physische Geographie, Institut für Geographie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, achim.braeuning@ fau.de

Prof. Dr. Thomas Mölg, Klimatologie, Institut für Geographie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Jan-Christoph Schubert, Lehrstuhl für Didaktik der Geographie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

 

Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Geographischen Rundschau im Westermann-Verlag, Heft 12-2023 erschienen.