Was sind die Aufgaben des Wissenschaftlichen Beirats? Wozu ist er da?
Der Beirat ist dem Vorstand des VGDH beigeordnet. Er verfolgt also keine eigenen Ziele, sondern soll auf wichtige Themenfelder aufmerksam machen, Entwicklungen anstoßen und dabei eine beratende Funktion übernehmen. Darüber hinaus koordiniert der Beirat u.a. die Ausschreibung der VGDH-Dissertationspreise.
Welche Ziele hat sich der wissenschaftliche Beirat für seine Amtszeit gesteckt?
Die Agenda des Beirats wird nicht durch bestimmte Ziele bestimmt, die bereits zu Beginn einer Amtszeit feststehen. Vielmehr dienen unsere regelmäßigen Sitzungen einem Austausch über aktuelle Entwicklungen und über Themen, die an uns herangetragen oder von uns selbst eingebracht werden. Dabei ist es hilfreich und wichtig, dass im Beirat verschiedene Bereiche der Geographie mit ihren unterschiedlichen Perspektiven und Positionen zusammenkommen.
Eine der traditionellen Aufgaben des Beirats ist die Überarbeitung der seit längerer Zeit schon bestehenden Liste anerkannter (oder besser: „empfohlener“) Fachzeitschriften. Bisher war die Liste auf deutschsprachige Zeitschriften beschränkt und wir sind uns einig, dass dies so bleiben sollte, da in allen Teilbereichen und Nachbarwissenschaften der Geographie zusammengenommen die schiere Anzahl der englischsprachigen Publikationsorgane unüberschaubar geworden ist. Unabhängig davon stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob eine solche „Positivliste“ noch zeitgemäß ist und wer sie nutzen soll, zumal alle z.B. im Web of Science gelisteten Zeitschriften ohnehin als anerkannt bzw. zu empfehlen gelten. Andererseits sind deutschsprachige Zeitschriften mit Review-Verfahren wie die Geographische Rundschau oder der Standort für uns als deutsche Geographie von erheblicher strategischer Bedeutung. Anknüpfend an das Editorial aus dem Rundbrief Nr. 309 (Juli 2024) möchten wir daher anregen, dass im Fall der Beibehaltung einer Liste von Zeitschriften andere Kriterien mit einer neuen Zielsetzung gewählt werden sollten. So wäre es denkbar, dass der VGDH bevorzugt auf Open-Access-Zeitschriften verweist, die nicht unbedingt in den großen Verlagen erscheinen. Eine Steuerung in diese Richtung erscheint uns sinnvoll, um gewissermaßen ein Gegengewicht zu den „big five“-Verlagen im DEAL-Abkommen zu bilden.
Vor welchen Herausforderungen steht die Arbeit des VGDH aus Sicht des Beirats?
Ein herausforderndes Thema, das uns auch in Zukunft noch stark beschäftigen wird (unabhängig von der o.g. „Positivliste“ von Zeitschriften), ist die veränderte Publikationskultur und Kostenverteilung sowohl in der Physischen als auch in der Humangeographie. Das DEAL-Abkommen bringt hier bedeutende Veränderung mit sich. Denn die Autorinnen und Autoren (und damit v.a. die Universitäten) werden für Beiträge in Fachzeitschriften zahlen, wohingegen der Abruf zunehmend kostenlos sein wird. Was auf den ersten Blick wie eine Win-win-Lösung aussieht, bedeutet tatsächlich eine Verlagerung der Kosten an die Unis. Insbesondere deutschsprachige Nicht-DEAL Zeitschriften werden von dieser Entwicklung an den Rand gedrückt, da der Etat der Universitäten von den DEAL-Verträgen zu großen Teilen aufgezehrt werden wird. Der Beirat begrüßt es, wenn eine Diskussion über den Umgang mit dieser Problematik im VGDH angestoßen wird.
Ein weiteres Zukunftsthema wird die Ethikprüfung im Vorfeld von Forschungsprojekten der Geographie sein. Ethikprüfungen haben in human- und tiermedizinischen Untersuchungen eine lange Tradition – die dort erarbeiteten Richtlinien greifen aber in der Geographie oft nicht bzw. zu kurz, da wir eigene fachspezifische Anforderungen und Problematiken haben. Kritisch zu prüfende Themen betreffen u.a. die Forschung im Globalen Süden, den Kontakt mit marginalisierten bzw. besonders verwundbaren Gruppen, potenziell traumatisierende Umfragen (u.a. im Kontext von Naturkatastrophen, man denke z.B. an das Ahrtal), Kommunikation von Ergebnissen der Risikobewertung oder die potenziell beunruhigende Wirkung des Aufstellens von Messinstrumenten oder der Entnahme von Boden- und Wasserproben.
Eine am VGDH verortete facheigene Ethikkommission wäre aus unserer Sicht nicht zu leisten, da die (Stellen-)Struktur dafür fehlt. Unabhängig davon sehen wir die Schwierigkeit, dass sich im Fall von Fehleinschätzungen die Frage nach der Haftung durch den VGDH stellt. Trotzdem sehen wir die grundsätzliche Problematik einer Lücke bei den geographiespezifischen Anforderungen an ethische Forschungsgrundsätze. Neben einer formellen Prüfung (z.B. Abhaken von Punkten auf Formularen) wird die Selbstreflexion und eigene ethische Verantwortung weiterhin einen hohen Stellenwert einnehmen. Als Beirat können wir uns vorstellen, dass im Rahmen des VGDH die bereits angestoßene Diskussion intensiviert und ein „geographiespezifischer Kompass“ entwickelt werden könnte.
Tabea Bork-Hueffer, Tim Freytag, Lukas Lehnert, Oliver Sass, Christine Schmitt, Stephan Schuler, Katja Trachte
Fragen: Franziska Krachten