Editorial
LIEBE MITGLIEDER DES VGDH,
gemäß der Tradition möchte ich als alter und neuer Vorsitzender das erste RUNDBRIEF-Editorial im neuen Jahr wieder nutzen, um kurz über einige Entwicklungen im Verband und in der deutschsprachigen Geographie zu berichten. Wir haben auch diesen Jahreswechsel wieder in einer weltpolitisch angespannten und schwer abschätzbaren Lage erlebt. Innenpolitisch und ökonomisch sind die Unsicherheiten ebenfalls gewachsen. Dies wird weiterhin Auswirkungen auf unsere Disziplin haben, mit denen wir umgehen und an die wir uns anpassen müssen. Die Themen, der Kontext, in dem wir forschen und lehren, die Netzwerke unserer wissenschaftlichen Kooperationen und auch die Bedingungen der Forschungsförderungen wandeln sich stetig. Wir fahren sicher besser, wenn wir diese Veränderungen aktiv (mit-) gestalten, als uns nur von ihnen treiben zu lassen.
Aber der Rückblick auf 2023 ist natürlich auch und vor allem geprägt von schönen Erinnerungen und Erfahrungen. Ganz oben steht dabei zweifellos der ausgesprochen gelungene Deutsche
Kongress für Geographie in Frankfurt, den sicher die allermeisten von uns als ausgesprochen lebendigen und anregenden Austausch empfunden haben. Noch nie wurden auf einem deutschsprachigen Geographiekongress so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt. Das vielfältige Programm, der sehr kommunikationsfördernde Rahmen auf dem schönen Universitätscampus sowie die beherzte Planung und Durchführung des Kongresses durch die Frankfurter Kolleginnen und Kollegen hat nicht nur die Teilnahme zu einem Erlebnis gemacht, sondern war auch ein schönes Aushängeschild für unser Fach. Mein besonderer Dank hierfür gilt den Kollegen Marc BOECKLER und Robert PÜTZ sowie ihrem gesamten Team.
Eine positive Erfahrung aus Frankfurt war auch, dass die Zusammenarbeit aller Teilverbände der DGfG hervorragend funktioniert hat und unter der Federführung des VGDH, aber mit großem Engagement aller Beteiligten ein gemeinsamer Stand aller Geographieverbände auf dem Kongress umgesetzt werden konnte. Außerdem hat der VGDH in Kooperation mit dem Nationalen
Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) auf dem DKG zum Erfahrungsaustausch zur Thematik „Geographie in sozialen Netzwerken“ eingeladen. Dabei wurden Fragen rund um die Pflege und Weiterentwicklung von Instagram-Accounts und anderen Social-Media-Kanälen der Institute beantwortet sowie damit verbundene Herausforderungen und Chancen
diskutiert. Die Social-Media-Thematik trifft offenbar auf großes Interesse. Deshalb möchte der Vorstand in Zukunft den Erfahrungsaustausch zwischen den VGDH-Mitgliedern noch stärker
unterstützen, bei Bedarf auch mit entsprechenden Weiterbildungsangeboten.
Trotz des sehr gelungenen Frankfurter Kongresses bereiten die DKG aber auch Anlass zur Sorge. Wir sind als VGDH zwar nicht die Hauptverantwortlichen für die Ausrichtung der DKG, dies ist und bleibt die Deutsche Gesellschaft für Geographie (DGfG) in Zusammenarbeit mit den jeweils beteiligten Ortausschüssen. Aber als ein wichtiger Teilverband ist es auch an uns zu überlegen, wie es hier weitergehen kann. Ein bedeutendes Thema ist sicher die bessere Einbindung der Physischen Geographie. Hier bin ich aber durchaus zuversichtlich, weil diesbezüglich viel guter Wille und auch ein beachtliches Engagement großer Teile der Physischen Geographie zu spüren sind.
Allerdings trauen sich an die Ausrichtung einer so großen Veranstaltung offenbar immer weniger Institute heran, und auch die Rahmenbedingungen für die Ausrichtung eines DKG werden zunehmend schwieriger. Mit vielen Instituten im personellen Umbruch, mit Universitäten, die Raumnutzungsgebühren erheben und finanzielle Absicherungen durch die DGfG erwarten, mit immer höheren Ansprüchen an die örtlichen Voraussetzungen in Bezug auf Hotel- und Unterbringungskapazitäten werden die Planung und die Durchführung von DKG nicht einfacher. Ganz abgesehen davon, dass jeder Standort bei den Planungen bei vielem immer wieder von vorne anfängt.
Der DKG für 2027 in Bonn ist gesichert, 2025 wird es aber bedauerlicherweise keinen DKG geben. Die DGfG und ihre Teilverbände einschließlich des VGDH arbeiten aber an einer „kleineren Lösung“, die zwar keinen gleichwertigen Ersatz für einen DKG bieten wird, aber zumindest eine fachliche Zusammenkunft im Frühherbst 2025 ermöglichen soll. Die Atempause, die hierdurch
gewonnen wird, muss nun dringend genutzt werden, um mit Blick auf das Jahr 2029 eine neue, dauerhaft tragfähige Konzeption zur DKG-Planung und -Durchführung umzusetzen. Dieser Prozess verbindet sich mit Überlegungen zu einer weiteren Professionalisierung der geographischen Verbandsarbeit. Hierzu gibt es schon einige konkrete Ideen – und die derzeit sehr gute Zusammenarbeit der DGfG-Teilverbände lässt mich optimistisch in die Zukunft schauen. Natürlich werden wir Sie und Euch als Mitglieder zu diesen Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
Viel Energie floss 2023 in unsere neue Webseite, die im Herbst online ging. Damit ist unser Webauftritt nun deutlich frischer, attraktiver und konsolidierter. Hierfür gilt mein Dank vor allem Franziska KRACHTEN, die den Prozess mit großem Engagement und Ideenreichtum vorangetrieben hat. Gleiches gilt auch für unsere Kooperation mit dem Westermann-Verlag. Die von uns gestaltbare, zehn Mal im Jahr erscheinende Rubrik „Forschungslandschaft“ in der GEOGRAPHISCHEN RUNDSCHAU hat eine Möglichkeit geschaffen, neue Zielgruppen in der breiteren Fachöffentlichkeit anzusprechen. Für Vorschläge zur attraktiven und außenwirksamen Bestückung dieser Rubrik sind wir immer dankbar.
Unser fachliches Umfeld bleibt weiter in Bewegung. Die Diskussion um die „Erdsystemwissenschaft“ ist nach wie sehr lebendig – sowohl in den einzelnen Universitäten und Instituten als auch auf der Ebene der Verbände und der Leopoldina. Letztere veranstaltete Mitte November 2023 in Potsdam einen zweitägigen Workshop zur Weiterentwicklung der Integrativen Erdsystemwissenschaften, an dem neben Vertreterinnen und Vertreterinnen ganz unterschiedlicher Fächer, darunter auffällig viele Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften, auch eine Geographin und zwei Geographen beteiligt waren. Derzeit bildet sich eine von der Leopoldina organisierte Arbeitsgruppe, die – unter geographischer Beteiligung – Strategien für die transdisziplinäre Forschung und Lehre in den Erdsystemwissenschaften entwickeln soll.
Die Diskussion um die Neuausrichtung und Umstrukturierung der GeoUnion ist ebenfalls weiterhin im Fluss. Aber auch hier habe ich den Eindruck, dass auf die Vorstellungen und Bedürfnisse
der Geographie zunehmend Rücksicht genommen wird und wir uns konstruktiv einbringen können. Für 2024 erwarte ich konkrete Entscheidungen bezüglich der organisatorischen Umgestaltung
der GeoUnion und ihres Vorstandes. Viele von Ihnen und Euch werden die Ergebnisse der Fachkollegienwahlen der DFG 2023 wahrgenommen haben. Es freut mich sehr, dass alle gewählten Fachkollegiatinnen und Fachkollegiaten vom VGDH für die Wahlliste vorgeschlagen wurden. Die neuen Fachkollegiatinnen und Fachkollegiaten, deren vierjährige Amtszeit im April 2024 beginnt, sind Olaf BUBENZER, Annika MATTISSEK und Katja TRACHTE (neu gewählt) sowie Boris BRAUN und Frank LEHMKUHL (wiedergewählt). Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die zu
einer Kandidatur bereit waren, und auch allen VGDH-Mitgliedern, die hilfreiche Vorschläge für die Wahlliste gemacht haben.
Ein weiterer Prozess, der derzeit läuft, ist die Konzeption der Befragungen für das 2024er CHERanking, das auch die Studiengänge der Geographie umfassen wird. Tim FREYTAG (für die DGfG)
und ich selbst (für den VGDH) sind Mitglieder des Fachbeirats, der über die Datenerhebungsmethoden diskutiert und diese fachspezifisch anpasst. Ich weiß, dass viele VGDH-Mitglieder die
CHE-Rankings kritisch sehen, und wir können in diesem Gremium auch nicht alle unsere Ideen und Anregungen eins zu eins durchsetzen, aber es besteht dennoch eine bemerkenswerte Offenheit, auf die Erfahrungen und Vorschläge der beteiligten Fächer zu hören und entsprechende Änderungen bei den Erhebungsinstrumenten und den erhobenen Indikatoren vorzunehmen.
Im September wurde in Frankfurt ein neuer VGDH-Vorstand gewählt. Ich danke den ausscheidenden Vorstandsmitgliedern Birgit TERHORST (Zweite Vorsitzende), Peter DANNENBERG (Kassenwart), Amelie BERNZEN (Schriftführerin), Kirsten VON ELVERFELDT und Susanne SCHMIDT (Beisitzerinnen) für ihren engagierten Einsatz in den letzten Jahren. Zugleich freue ich mich auf die gemeinsame Arbeit mit den neuen Vorstandsmitgliedern Dagmar HAASE (Zweite Vorsitzende), Thomas NEISE (Kassenwart), Lisa-Michéle NIESTERS (Schriftführerin), Miriam MARZEN und Felix HENSELOWSKY (Beisitzer) sowie den wiedergewählten Mitgliedern Carsten BUTSCH und Sebastian FASTENRATH. Ebenfalls schaue ich mit Freude auf eine produktive Zusammenarbeit mit dem ebenfalls im September in Teilen neu gewählten Wissenschaftlichen Beirat.
Ich bin mir bewusst, dass ich in dieser kurzen Übersicht nicht alle wichtigen, den Verband und das Fach betreffende Entwicklungen und Themen ansprechen konnte. Dennoch spielen auch diese
natürlich eine bedeutende Rolle für die Verbandsarbeit. Viele der Themen bedürfen auch einer intensiven Abstimmung zwischen den Geographischen Instituten. Deshalb gibt es im Vorstand
Überlegungen, eine regelmäßige Gesprächsrunde der Geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren der deutschsprachigen Institute einzurichten. Diese könnte ein- oder bei Wunsch und je nach Bedarf auch zweimal im Jahr online stattfinden. Für Rückmeldungen und gegebenenfalls Interessenbekundungen hierzu wären wir sehr dankbar.
Viele der Themen von 2023 werden auch im Jahr 2024 wichtige Themen bleiben. Ich bin mir aber sicher, dass unsere schöne, vielfältige und lebendige Disziplin weiterhin wertvolle Beiträge zu den zentralen Zukunftsfragen beisteuern kann und wird. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch allen ein gesundes, frohes und erfolgreiches Jahr 2024!
Boris Braun