Editorial: Plädoyer für eine Angewandte Geographie
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
ein Editorial im Rundbrief Geographie schreiben zu dürfen, ist Gelegenheit, Geographinnen und Geographen an den Hochschulen zum Nachdenken anzuregen. Zum Nachdenken darüber, was eine Angewandte Geographie auch außerhalb von Hochschule und Schule bewirken kann – und was dies wiederum für die Tätigkeiten an den Hochschulen bedeutet.
Die gute Nachricht vorweg: Die Berufsperspektiven von Geographinnen und Geographen außerhalb der Hochschulen sind heute so gut wie selten zuvor. Geographisches Wissen und raumbezogenes Denken werden in den öffentlichen Verwaltungen und der Politik, in sehr unterschiedlichen privaten Unternehmen und in der Zivilgesellschaft wertgeschätzt und nachgefragt. Die fundierte Methodenausbildung und die zunehmende Projektorientierung in unseren Studiengängen haben zu diesen guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt beigetragen. Ein hohes Maß an Interdisziplinarität und ein analytisches Verständnis von natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Zusammenhängen sind Eigenschaften, die unser Fach in die vielfältige Berufspraxis einbringt.
Auch die Geographinnen und Geographen in der Praxis selbst leisten durch ihre engagierte Tätigkeit einen Beitrag, neue Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Hochschulen zu eröffnen – sei es im Immobilienwesen oder im Einzelhandel, im Verkehrsbereich oder in der Wirtschaftsförderung, um nur vier von zahlreichen Arbeits- und Berufsfeldern aus der Humangeographie zu nennen. Dabei spielen die Umsetzungsorientierung und der „Blick fürs Ganze“ eine wichtige Rolle. Der Arbeitsmarkt sucht Fachkräfte aus der Geographie, die genau diese Qualifikationen mitbringen – was vor 40 Jahren noch fast undenkbar schien. Die Angewandte Geographie hat sich so seit den 1980er-Jahren langsam, aber stetig außerhalb der Schulen und Hochschulen etabliert. Dies ist auch für die Hochschulgeographie erfreulich, sichert es doch im Wettbewerb der unterschiedlichen Fachdisziplinen über die hohe Zahl an Studierenden Stellen an den Universitäten und eröffnet Möglichkeiten für eine praxisorientierte Forschung.