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CfP: Visuelle Geographien und Zeit – Jahrestagung des Arbeitskreises “Visuelle Geographien”

Call für Beiträge

Visuelle Geographien und Zeit

Jahrestagung des Arbeitskreises “Visuelle Geographien”

Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig // 20. und 21.11.2025

 

Ist es Zeit für visuelle Geographien? Wie können visuelle Geographien Antworten auf Themen im Schnittfeld von Raum und Zeit finden? Und haben wir genug Zeit für das Visuelle?

 

Die Beschäftigung der Geographie mit Fragen rund um Zeit ist schon seit längerem beobachtbar. Bereits 1970 hat Torsten Hägerstrand mit dem Beitrag “What about people in regional science” die Aufmerksamkeit der Humangeographie auf den Aspekt der Zeit gelenkt und dabei vor allem individuelles raum-zeitliches Verhalten untersucht und visualisiert. Andere, insbesondere raumtheoretische Ansätze, die die Verbindung von Raum und Zeit bewusst beachten, lassen sich unter anderem in David Harveys (1989) Auseinandersetzungen mit time-space-compression, Bob Jessops (2006) spatio-temporal fixes sowie Doreen Masseys (1994) Raumzeit-Konzeptualisierungen finden.

Zeit bedeutet aber auch Entwicklungszeit für visuelle Ansätze. Innerhalb der raumzeitlich spezifischen Herausbildung und Ausdifferenzierung der geographischen Disziplin hat der Blick auf und die Formate und Gebrauchsweisen von Visualisierungen und Visualität einen umfassenden Wandel erfahren (z.B. Crang 2003, Schlottmann & Miggelbrink 2015). Exemplarisch hierfür mag der Wandel einer Realitäten abbildenden Kartographie über eine Machtverhältnisse dekonstruierende Kritische Kartographie bis hin zu Praktiken des reflexiven, forschenden oder emanzipatorisch ausgerichteten kritischen Kartierens (z.B. Michel 2022) stehen, wobei das in den visuellen Geographien thematisierte Spektrum geographischer Imaginations- und Abbildungspraxen deutlich breiter angelegt ist. So ist die Visualität von Zeitlichem präsent in der Analyse historischen Materials, wie z.B. in archivierten Fotografien Forschungsreisender (Matiasek 2021) und in der Hinwendung zu visuellen Methoden der Rekonstruktion historischer Entwicklungen (z.B. Gregory & Healey 2007). Zudem werden neue Formen der visuellen Forschungskommunikation entwickelt, die heterogene, qualitative und quantitative Forschungsdaten – beispielsweise aus narrativen Interviews – mit qualitativen GIS-Ansätzen analysieren und visuell kommunizieren (z.B. Westerveld & Knowles 2021).

Nicht zuletzt finden wir die Bedeutung von Zeit in der Art, wie wir arbeiten, wieder. Jüngere wissenschaftspolitische Ansätze wie beispielsweise slow scholarship (Mountz et al. 2015) und slow ontology (Ulmer 2017), die Better Science Initiative an der Universität Bern (https://betterscience.ch/#/) oder auch pressing pause im feministischen Kartieren (Kelly & Bosse 2022) betonen Zeit, wenn sie für eine Verlangsamung des wissenschaftlichen Arbeitens oder des langsamen methodischen Vorgehens (Pottinger 2024) plädieren.

Visuelle Geographien haben das Thema ‘Zeit’ – in all seinen Facetten und Bedeutungen – jedoch bisher kaum explizit in den Blick genommen. Dies nehmen wir zum Anlass, um uns bei der diesjährigen Jahrestagung den verschiedenen Verbindungen und Beziehungen von visuellen Geographien und Zeit zu widmen. Wir freuen uns daher über Beitragseinreichungen rund um visuelle Geographien und Zeit, die eines oder mehrere der folgenden Themen adressieren, aber auch darüber hinaus gehen:

  • Theoretische Perspektiven auf die Raumzeitlichkeit visueller Geographien
  • Historische Perspektiven zur Herausbildung der Forschungsdebatte zu visuellen Geographien
  • Beiträge zur Rolle von Zeit in der Analyse von vorliegendem visuellem (Archiv)Material und anderen visuellen Zeugnissen historischer und gegenwärtiger Ereignisse
  • visuelle Methoden zur Beforschung und Analyse raumzeitlicher Entwicklungen und Veränderungsdynamiken
  • Beiträge zu innovativen und etablierten visuellen Darstellungs- und Kommunikationsstrategien von raumzeitlichen Prozessen wie Bewegung, Mobilität, Dynamik, Wandel, etc.
  • Reflexionen der Bedeutung von Zeit in der Umsetzung und im Gelingen visueller Forschungsansätze
  • Beiträge zu Zeit und Zeitlichkeit im Kontext von Debatten zu slow science in visuell geographischen Forschungsprozessen: von der Organisation der Forschung über ihre Umsetzung und Methoden bis zur Analyse von (heterogenen) Daten; Reflexionen zu Grenzen, Möglichkeiten und Relevanz von Ent- oder Beschleunigung in (transdisziplinären) Forschungsprozessen

 

Präsentationen können in deutscher oder englischer Sprache gehalten werden; die Workshop-Sprache wird Deutsch sein. Für die Versorgung während der Veranstaltung wird eine kleine Teilnahmegebühr erhoben.

 

Bitte sendet Eure Einreichungen und Interessensbekundungen bis zum 30. Mai 2025 an

akvisgeo_orga@listserv.dfn.de

Solltet Ihr Fragen, Kommentare oder Vorschläge haben, so zögert bitte nicht, euch unter der angegebenen E‐Mailadresse bei uns zu melden.

Lea Bauer, Kristine Beurskens und Nora Küttel

 

 

Literatur

Crang, M. (2003). Qualitative Methods: Touchy, Feely, Look-See?, Progress in Human Geography 27(4), 494–504.

Gregory, I. N., & Healey, R. G. (2007). Historical GIS: structuring, mapping and analysing geographies of the past. Progress in Human Geography, 31(5), 638-653. https://doi.org/10.1177/0309132507081495

Hägerstrand, T. (1970). What about People in Regional Science? Papers in Regional Science, 24(1), 7–21, https://doi.org/10.1111/j.1435-5597.1970.tb01464.x

Harvey, D. (1989). The Condition of Postmodernity: An Enquiry into the Origins of Cultural Change. Blackwell.

Jessop, B. (2006). Spatial Fixes, Temporal Fixes and Spatio- Temporal Fixes. In: Castree, N. & Gregory, D., David Harvey: A Critical Reader, Antipode Book Series, Blackwell, 1421–166.

Kelly, M., & Bosse, A. (2022). Pressing Pause, “Doing” Feminist Mapping. ACME: An International Journal for Critical Geographies, 21(4), 399–415, https://doi.org/10.14288/acme.v21i4.2083

Massey, D. (1994). Space, place, and gender. University of Minnesota Press.

Matiasek, K. (2021). Überleben im Bild: „Rettungsanthropologie“ in der fotografischen Sammlung Emma und Felix von Luschan. Fotohof edition.

Mountz, A., Bonds, A., Mansfield, B., Loyd, J., Hyndman, J., Walton-Roberts, M., Basu, R., Whitson, R., Hawkins, R., Hamilton, T., & Curran, W. (2015). For Slow Scholarship: A Feminist Politics of Resistance through Collective Action in the Neoliberal University. ACME: An International Journal for Critical Geographies, 14(4), 1235–1259.

Pottinger, L. (2024). Making (Slowly) as Method: Piecing, Stitching and Steeping Metaphors for Multiple Methodologies. International Journal of Qualitative Methods, 23, https://doi.org/10.1177/16094069241282932

Schlottmann, A., Miggelbrink, J. (2015). Ausgangspunkte. in: Visuelle Geographien, edited by: Schlottmann, A., Miggelbrink, J., transcript, Bielefeld, 13–26.

Ulmer, J. B. (2017). Writing Slow Ontology. Qualitative Inquiry, 23(3), 201–211, https://doi.org/10.1177/1077800416643994

Westerveld, L. and Knowles, A. K.(2021). Loosening the grid: topology as the basis for a more inclusive GIS, Int. J. Geogr. Inf. Syst., 35, 2108–2127, https://doi.org/10.1080/13658816.2020.1856854