Aktuelles

Bericht: 9. Jahrestagung des AK Qualitative Methoden

Bericht zur 9. Jahrestagung des AK Qualitative Methoden in der Geographie sowie der raumsensiblen Sozial- und Kulturforschung zum Thema „Multisensorisch Forschen“, 10.-11. März 2025 in Goslar

Vom 10. bis 11. März 2025 fand die 9. Jahrestagung des Arbeitskreises Qualitative Methoden zum Thema „Multisensorisch Forschen“ in Goslar statt. Raum als Konsequenz multisensorischer und damit komplexer Konstruktionen und Erlebnisse zu verstehen, eröffnet neue Perspektiven sowohl für die geographische und raumsensible sozialwissenschaftliche Forschung als auch für die Wissenschaftsbildung. Neben dem Visuellen und Diskursiven gewinnen Geräusche, Gerüche, Temperaturen, Texturen und weitere sinnliche Qualitäten an Bedeutung, um räumliche Sinnstiftungen und Erfahrungen analytisch erfassen, auswerten und vermitteln zu können.

Den Auftakt der Tagung bildete die Keynote von Christina May mit dem Titel Multisensuelles Design – Peter Luckners Modell ganzheitlicher Gestaltung. Sie diskutierte die Grundlagen multisensorischer Ansätze in der Forschung und betonte die Bedeutung eines umfassenden methodischen Designs, das auditive, visuelle, haptische und olfaktorische Aspekte systematisch integriert. Sie verwies dabei auf Peter Luckners Modell einer ganzheitlichen Gestaltung und verdeutlichte dessen Anwendbarkeit für qualitative Forschungsmethoden.

Im Rahmen der thematischen Schwerpunktsitzungen wurden methodische Zugänge vorgestellt, die sich mit der multisensorischen Dimension des Forschens beschäftigten. Markus Gornik und Ole-Kristian Heyer präsentierten ihre Forschung zu Citadins Vague, in der sie multisensorische Methoden nutzten, um die Wahrnehmung und Erfahrung urbaner Räume durch soziale Gruppen zu analysieren. Aylin Akyildiz und Marie Duchêne stellten ein Projekt vor, in dem sie Geräusche, Gerüche und haptische Reize als Indikatoren für Wohnqualität untersuchten. Sie erläuterten, wie Stadtspaziergänge als explorative Methode eingesetzt werden können, um subjektive Wohnempfindungen besser zu erfassen. Paul Nguyen und Frank Meyer diskutierten die Herausforderungen und Potenziale einer multimodalen Analyse populistischer Kommunikation durch die Einbindung visueller, auditiver und taktiler Reize. Cosima Werner setzte sich mit der Frage auseinander, wie Weißsein multisensorisch erforscht werden kann. Sie reflektierte über die Rolle von Körper und Raum in der Untersuchung von Privilegien und Machtverhältnissen. Nicole Weydmann, Petra Panenka und Christina Weber berichteten über ihr ins Leben gerufenes ResonanzLab. Sie nutzten Go-/Walk-Along-Interviews, um zu analysieren, wie Menschen emotionale Reaktionen auf Umweltveränderungen musikalisch verarbeiten. Melike Peterson gab Einblicke in studentische Projektarbeiten, die sich mit der multisensorischen Erfassung von Emotionen in räumlichen Kontexten befassten. Sie stellte heraus, wie Studierende emotionale Geographien durch sensorische Methoden erforschten und dabei neue Perspektiven auf alltägliche Raumwahrnehmungen entwickelten und diese im Anschluss der Stadtöffentlichkeit im Rahmen einer Ausstellung präsentierten und auf diese Weise in eine science-with-public-Kommunikation über den Stadtraum traten.

Die Tagung bot auch praxisnahe Workshops, die methodische Herausforderungen und innovative Ansätze multisensorischer Forschung beleuchteten. Nora Küttel erörterte, wie qualitative Methoden zur Analyse von Identitätskonflikten in Regionen im Strukturwandel beitragen können. Kamila Labuda präsentierte methodische Ansätze zur Erforschung von On-/Offline-Communities und deren Einfluss auf Bildungs(miss)erfolg. Carolin Baaske analysierte, wie Handlungsträger*innen der Verkehrswende in der medialen Berichterstattung dargestellt werden und welche Narrative dominieren.

Ein weiterer wichtiger Themenblock der Tagung widmete sich der Mobilitätsforschung, in den von Claudia Hille und Jana Kühl eingeführt wurde. Esma Gelis untersuchte die Mobilitätsbiographien mehrfach marginalisierter Frauen in München und deren subjektives Sicherheitsempfinden. Shahrzad Enderle, Carla Onusseit und Nora Winsky berichteten von ihrer Forschung, bei der ältere Menschen mit einer Fahrradrikscha durch die Stadt gefahren wurden, um ihre Mobilitätserfahrungen und emotionalen Reaktionen zu dokumentieren. Christoph Schimkowsky stellte qualitative Ansätze zur Erforschung von Rücksichtnahme und Regelbrüchen im öffentlichen Verkehr in Tokio – unzählig markiert durch Plakate – vor. Er analysierte visuelle Interaktionen und deren Bedeutung für alltägliche Mobilitätspraktiken.

Neben den fachlichen Diskussionen fand die jährliche Mitgliederversammlung des Arbeitskreises statt. Im Zuge dessen wurden potenzielle Themen für die zukünftige Arbeit des AK besprochen. Dazu gehörten gemeinsame Forschungsprojekte sowie die Vorbereitung der 10. Jahrestagung 2026. Zudem wurde eine Diskussion über neue Formate des Arbeitskreises wie beispielsweise Online-Treffen sowie über die Rolle von Ethikkommissionen in der Geographie angestoßen. Abgeschlossen wurde die AK Jahrestagung mit der Wahl eines neuen Sprecherinnen-Teams. Anna-Lisa Müller und Jeannine Wintzer übergeben ihr Amt nach 10-jähriger AK-Arbeit an Nora Küttel und Melike Peterson. Wir danken den neuen Sprecherinnen für ihr Engagement und wünschen ihnen alles Gute.

Die 9. Jahrestagung des AK Qualitative Methoden zeigte, wie multisensorische Forschungsansätze neue methodische und epistemologische Perspektiven auf qualitative Sozialforschung eröffnen. Die zahlreichen Diskussionen, Workshops und Vorträge verdeutlichten die Notwendigkeit einer stärkeren Integration von Sinneserfahrungen in die Forschungspraxis.

Die nächste Jahrestagung findet vom 09.-10. März 2026 statt und wird sich mit den in der Mitgliederversammlung diskutierten Themen weiterentwickeln.